: DEFA-Filme in der Uni Oldenburg
■ betr.: „Für ein bißchen Silber mehr“, taz vom 1./2. 3. 97
Natürlich ist es von der taz wichtig und ehrenwert, den Umgang mit filmischen Zeitdokumenten aus der DDR zu thematisieren. Erkenntnisse über diese untergegangene Lebenswelt sind insbesondere für Westdeutsche, die sich erst jetzt mit dem Denken und Fühlen ihrer ostdeutschen Mitbürger auseinandersetzen müssen, von grundlegender Bedeutung. Gefährlich ist allerdings, wenn – wie in diesem Artikel – Aussagen von Zeitzeugen, die wohl der eigenen Legendenbildung dienen sollen, als historische Fakten verkauft werden. Ein Anruf im Bundesfilmarchiv genügt beispielsweise schon, um zu erfahren, daß DEFA- Filme (insbesondere 1981) nicht aus politischen Gründen zur Silbergewinnung vernichtet wurden. Die Firma, die sich in Fürstenwalde befand, konnte aus einer abendfüllenden Schwarzweiß-Nitrofilmkopie bis zu 200 Gramm Silber auswaschen. Im oben genannten Artikel spricht der ehemalige DEFA-Regisseur Roland Steiner von einem Silbergewinn von zwei Mark pro Filmkopie. Wie jeder weiß, waren 200 Gramm Silber in der rohstoffarmen DDR ein volkswirtschaftlicher Faktor. Goebbels war es, der im Dritten Reich Filme vernichten ließ. In der DDR wurden auch die in den 60er Jahren berühmt gewordenen verbotenen Spielfilme der DEFA nicht vernichtet. Die Frage von R. Steiner im oben genannten Artikel nach dem sinnvollen Umgang mit den DEFA-Filmen an der Uni Oldenburg ist mehr als scheinheilig.
Er müßte nur einen Blick in die Veranstaltungsverzeichnisse der letzten Jahre werfen, um feststellen zu können, daß seit dem Ankauf der DEFA-Filme kontinuierlich wissenschaftlich mit ihnen gearbeitet wird. Auch wenn er einen vom Arbeitsamt gestützten Kurs für Journalisten an der gleichen Uni betreut, so ist es doch ziemlich anmaßend, die jahrelange Arbeit der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Freiwald, AOR Moldenhauer und des ehemaligen DEFA-Regisseurs und jetzigen Lehrenden im Fach Kunst, Steinkopff, zu ignorieren. Im übrigen muß die Glaubwürdigkeit des „Zeitzeugen“ Steiner überhaupt in Frage gestellt werden. Er will im oben genannten Artikel glauben machen, daß er mutig und furchtlos bei der DEFA einen Film gegen die Interessen von Frau Honecker gemacht hätte.
Das kann er natürlich keinem ostdeutschen Leser verkaufen. Diese wissen selbstverständlich auch heute noch, daß ein DEFA- Regisseur ohne Produktionsauftrag des Filmministers noch nicht mal eine 16-mm-Filmkamera, geschweige denn Filmmaterial oder Kopierwerksleistungen bekommen hätte. Der Staat hatte das Medienmonopol und damit die absolute Kontrolle. Solche „kritischen Filme“, mit denen sich Steiner heute aufwerten will, waren sogenannte Alibifilme, die man Regisseuren anvertraute, denen man sowieso vertraute, auch indem man sie zu Zeiten, in denen kein normaler Bürger in den Westen fahren durfte, mit der „Wunderpappe“, dem Westreisepaß, ausstattete.
Ist es nicht zudem verwunderlich, daß ein Regisseur wie Steiner, der sich damit brüstet, mutig und „heimlich“ Tabuthemen realisiert zu haben, zu einer Zeit, da die DDR so gut wie am Ende war, in seiner Rede auf dem letzten „Verbandskongreß der Film- und Fernsehschaffenden der DDR“ die Einrichtung der Zensur in der DDR aber vehement forderte? Was ist nun eine historische Quelle? Das Protokoll dieser Rede oder die Aussagen in der taz? Dieter Doherr, Institut für
Politikwissenschaften der
Otto von Guericke Universität,
Magdeburg
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