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DEBATTENeue Zeiten

■ Die neue Strategie der USA in Nahost zielt auf Energiesicherung

In den letzten Monaten haben die USA ihr strategisches Engagement weltweit reduziert — überall, nur nicht im Nahen Osten. Die von Präsident Bush nun eröffnete Nahostkonferenz in Madrid birgt für ihn ein großes Wagnis. Entweder festigt sich die US-amerikanische Einflußnahme in der Region, oder neue Risiken für die Interessen Washingtons werden sich eröffnen.

Mit dem Doppelsieg sowohl im Kalten Krieg als auch im Golfkrieg ließen die USA den Vorhang der Nachkriegsära endgültig fallen, über eine Zeit, die von Militärmacht und dem politischen Antagonismus der beiden Supermächte geprägt war. Nun ersetzt die Geoökonomie die Geostrategie als Motor und Gestaltungsprinzip globaler Politik.

Der Nahe Osten hingegen ist immer noch festgefahren im Vergangenen. Nach dem Ende der Ost-West- Konfrontation in Zentraleuropa ist der Nahe Osten nun die am stärksten militarisierte Region der Welt. Während die großen Staaten über die Begrenzung von Waffenverkäufen sinnieren, werden immer mehr konventionelle Waffen von den einzelnen Staaten der Golfregion angefordert.

Wichtig sind diese Tatsachen aus dem gleichen Grund, weswegen Bush vergangenes Jahr auch eine halbe Million Truppen in den Golf sandte: um den Ölfluß zu garantieren. Der Persische Golf ist Ort einer der augenfälligsten Herausforderungen amerikanischer strategischer Interessen: der Energieversorgung. Diese Herausforderung wird heute nicht mehr durch die irakische Aggression gefährdet, wenngleich Saddam Hussein auch nach der „Operation Wüstensturm“ eine lauernde Gefahr bleibt: die der anhaltenden Möglichkeit eines Rückschlags, neuer Instabilitäten in der Region. Und dies auf dem Hintergrund eines westlichen militärischen Sieges über einen arabischen Staat.

Mehr als alles andere bestimmen die langfristigen Fragen des Öls das Engagement von Präsident Bush. Das erklärt, warum er, selbst ein Mann des Ölgeschäfts, den arabisch- israelischen Friedensprozeß forciert. Die traditionellen Motive der Amerikaner, um das komplexeste diplomatische Problem der Welt anzugehen, spielen momentan nämlich keine Rolle: es gibt derzeit für Israel keine Gefahr einer arabischen Attacke oder auch sowjetischer Expansionsgelüste in Nahost.

Ob man das will oder nicht: der anhaltende Disput über Jerusalem und das Schicksal der Palästinenser sind Prüfsteine arabischer Politik; entscheidendes Moment regionaler Stabilität und der wichtigste langfristige Faktor für das Ansehen der USA in der Region. Dieses Ansehen hat seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Gleichzeitig sind die USA die einzige große Macht im Nahen Osten, in ihrem Stand bis zu einem gewissen Grad unerreicht von jeder anderen Macht der vergangenen zwei Jahrhunderte.

Indem er nach Madrid ging, nutzt Georg Bush die ungewohnte Position seines Landes aus und bekennt sich zu einem Akt wahrer Staatskunst: am Längerfristigen zu arbeiten, statt dem Momentanen zu erliegen.

Daß Bush sich auf die arabisch-israelische Diplomatie stützt, liegt daran, daß alle bisherigen Wege regionaler Stabilisierung zur Frustration der Amerikaner scheiterten. Zwar haben die USA mit Kuwait und Bahrein Verteidigungsabkommen geschlossen, aber die garantieren eben noch keine Ruhe im Persischen Golf. Schon scheint Saudi-Arabien über eine permanente US-militärische Präsenz der USA unruhig zu werden und verlangt deshalb, Waffen und Munitionsdepots aus „Desert Storm“-Zeiten zu verlegen oder an Riad zu verkaufen. Weil die Geisel-Krise im Libanon sich auch nur stockend zu lösen beginnt, wurde Bushs Ansinnen zumindest gebremst, das Verhältnis zu den Iranern zu verbessern.

Zugleich manövrierte sich Bush in eine von ihm verursachte Blockade: er will die Sanktionen gegen den Irak auf keinen Fall aufheben, solange Saddam Hussein an der Macht ist. Aber der irakische Diktator weigert sich zu gehen. Genausowenig wird Saddam die Erlaubnis der UNO akzeptieren, Öl im Wert von 1,5 Milliarden Dollar zu verkaufen, um die Not seines Volkes zu lindern. Weil er nicht sicher sein kann, diesen Kampf zu gewinnen, aber unbedingt US-amerikanische Schiedsrichter-Kompetenz bei der Regelung regionaler Sicherheit beweisen muß, hat sich Bush dem arabisch-israelischen Thema zugewandt.

Die Aussichten, bei diesem Spiel zu gewinnen — daß der arabisch-israelische Konflikt zu einer Lösung hin bewegt werden kann —, stehen so gut wie zu keiner anderen Zeit, seit Präsident Carter das Amt verließ. Noch hat sich die PLO nicht von ihrer Schmach erholt, Saddam Hussein unterstützt zu haben. Die Sowjets sind nun ein Verbündeter der USA. Und jede wichtige Partei akzeptierte die Einladung nach Madrid — jeder ist im Haus, keine wichtige Figur blieb außen vor.

Außenminister Baker verfolgte die bestmögliche Strategie. Indem er die Israelis in den gleichen Raum mit Palästinensern und Syrern brachte, kann er darauf hoffen, daß die Psychologie zu wirken beginnt: wie in Israel und Ägypten geschehen, nachdem Anwar Sadat im Dezember 1977 nach Jerusalem gefahren war.

Nach Madrid werden Israel und seine Verhandlungspartner monatelang um spezielle Punkte ringen. Aber zwei zentrale Entscheidungen könnten sich hieraus entwickeln: Syrien könnte erkennen, daß es mehr gewinnt, beendet es die Feindseligkeiten, anstatt ständig den Spielverderber zu spielen. Und Israel könnte entscheiden, daß es Frieden dem Festhalten an der ganzen Westbank vorzieht. Alle anderen Fragen sind sekundär.

Den nötigen psychologischen Durchbruch erreicht man nur mit Zeit, Geduld und dem tiefen und anhaltenden Engagement der USA. Ein Erfolg ist bei weitem noch nicht beschieden. Aber bevor er nach Madrid flog, schlug Bush noch entscheidende Pflöcke ein, indem er versicherte, daß die USA für unbestimmte Zeit eine Macht in Nahost bleiben werden. Langfristige Interessen Washingtons in der gesamten Region werden von den Ergebnissen Madrids nachhaltig beeinflußt werden. Robert E. Hunter

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