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DEATHPLOITATION

■ Das autonome Zombie-Blockseminar des „Death Addict Crime Standard“

Für Hegel galt noch, daß der, der im Kampf mit dem anderen sein Leben einsetzt, dieses dadurch vom Tode zurückfordert. Während jener, der diesen „schnellen Tod“ scheut, als Knecht den „sozialen Tod“ stirbt beziehungsweise den „aufgeschobenen Tod“ unter dem Joch des Herrn und der symbolischen Ordnung erleidet.

Das war damals. Mit dem Faschismus endete das Zeitalter der Aufklärung, mit der nuklearen Katastrophe ist das Zeitalter der Postmoderne hereingebrochen. Die Todesproblematik und die Toten befinden sich außerhalb der sozialen Ordnung; diverse Väter und Behüter vor dem Grauen haben sich ihrer angenommen: der Staat, die Polizei, die Versicherungen, Krankenhäuser, Leichenbestatter, Organtransplanteure etc., die ihrerseits daraus einen Sinn (ha!) entwerfen und andererseits eine Quelle schier unbegrenzten Mehrwerts entdeckten. Die Unfähigkeit zu sterben breitet sich über die ganze Gesellschaft, das soziale Leben aus und treibt es zur Stasis. Doch das Verdrängte kehrt zurück, „The Dawn of the Dead“ ist nahe.

Der Tod infiziert - einem Virus gleich - heutiges „Leben“: Als Krebsgeschwür wuchert er mitten im Fleisch; das an die Ökonomie der Gabe angeschlossene Individuum - der Sozialhilfeempfänger - ist unfähig, den ökonomischen Tod zu sterben; die modernen sozialen Toten leben vom Sperrmüll dem aus dem Warenzirkel Ausgeschlossenen - und hausen in den Satellitenstädten. Die lebenden Toten, die Zombies, sind mitten unter uns, sie existieren, doch außerhalb der symbolischen Ordnung.

Die Verwesung wird als Lebensprozeß erfaßt und überfällt den durch normative Ausschlußpraktiken sich abgesichert wähnenden organischen Körper. Der Zombie stellt eine seelenlose, fatalerweise aber gut funktionierende Maschine dar, die mit ihrer Negativenergie in das Soziale einbricht. Dort, wo heute die gesamte Kommunikation durch Feedback -Mechanismen simuliert wird, dort erweist sich der lebende Tote als adäquate menschliche Gegenwartsform.

Das ist mehr oder weniger die Zentralthese, die „Death Addict Crime Standard“ vertritt. In dem Seminar wird auch ein wenig Kulturanthropologie betrieben, das Phänomen des Wiedereintretens der Jenseitigen ins Reale ist ja alt. Beispielsweise wurde bei verschiedenen Voodoo-Kulten ein Gift verabreicht, das in der Tat zum Zombie machte. Der Betreffende fiel/fällt in einen todesähnlichen Zustand und wurde/wird vom Medizinmann auf dessen persönliche Plantage gebracht. Dort erwacht der Zombie wieder und arbeitet, obwohl er tot ist. Denn Leben ist nur innerhalb des symbolischen Code möglich, er aber befindet sich außerhalb ja, er kann sogar seinen Grabstein besichtigen. (Das ist authentisch; inzwischen wurde das Gift von amerikanischen Wissenschaftlern untersucht, und über das „Zombie-Camp“ gab es Anfang der achtziger Jahre noch eine TV-Dokumentation.)

„White Zombie“ thematisierte diese Geschehnisse 1932 mit Bela Lugosi als schreckenerregendem Farmer. Auch Frankensteins Monster und die Vampire zeigen im Kino, wie der Umgang der Lebenden mit den Un-Toten ist - wie überhaupt die Leinwand das Exerzierfeld für Zombies schlechthin ist. Wenn man den Zombie als den anderen des symbolischen Codes faßt, den jener braucht, um sich zu konstituieren, wenn man also den Zombie als - dennoch ausgeschlossenen Repräsentanten der symbolischen Ordnung begreift, wo wird dann sein Dasein deutlicher als auf einer Kinoleinwand, auf der sich immer schon das Immaterielle präsentierte.

Aus einer solchen unbeobachteten Nische des Imaginären, den Leinwänden der Bahnhofskinos, brach der Rachefeldzug des verwesenden Fleisches endgültig hervor: Die Zombie-Trilogie von George A. Romero (die Dienstag, Mittwoch und Donnerstag im Rahmen des Seminars zu sehen sein wird). Im Gegensatz zu der anderen Haupteinnahmequelle dieser Kinos, den Pornos, die sich noch mit „Humanität“ beschäftigen („human ist, wer ejakuliert!“), zeigen Romeros Streifen das „Ende des Menschen“ (Foucault).

Wieder werden die Toten lächerlich gemacht und von schießwütigen Rednecks gejagt. Durch einen radioaktiven Unfall („Dawn of the Dead“) wurde ihr verfaulendes Hirn diese organische Schnittstelle zum Symbolischen - erneut zum Funken gebracht. Dennoch seelen- und bewußtlos taumeln sie, von der auf der Stelle tretenden Energie ihrer zerfallenden Körper angetrieben, umher und verdeutlichen in ihrem Umherirren im Supermarkt einmal mehr, was sie bereits vor ihrem Tod waren: Ausgeschlossene aus dem Warentausch, Ausgeschlossene aus dem Sozialen.

Einen Zombie kann man nur exterminieren, wenn man sein Gehirn zerstört - es geht darum, die leiblich Verstorbenen auch aus dem Bereich des Symbolischen zu vertreiben, das, „was einen Namen hat“ (Lacan), aus der Signifikantenkette auszumerzen. Ein Unding, und dementsprechend nehmen die Körpermassen, im Übergangsstadium des Verfalls begriffen, Rache. Selbstlos in buntbedruckten Synthetikhemden. Rache.

Es gibt da ohne Zweifel noch mehr Ansätze, beispielsweise ob die modernen TV-Zombies, unvermögend zur Reflexion und „in unkoordinierte Motorik zurückfallend“, diese intellektuell-philosophische Affirmation eines ihrer Kultfilme großartig finden. Ob also die Untoten, so sie nun ernannt und benannt sind, nicht nur nicht am sie betreffenden Diskurs partizipieren können, sondern ob sie sich nicht wehmütig jener Zeit erinnern werden, als man noch mit einigen Freunden und mehreren Six-packs in einen Zombie -Film gehen konnte, um Spaß zu haben, Fun und so, reine libidinöse Ekstase, ja. Die Frage nach einer Meta-Ausbeutung des Zombies..., kann gestellt werden

R.Stoert

Von Dienstag bis Freitag, 11. bis 14.Juli, jeweils von 18 bis 22 Uhr (Filme laufen ab 20 Uhr), in der Schweinemensa (alte TU-Mensa) in der Fabeckstraße.

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