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DDR–Wirtschaftsplaner von 1986 enttäuscht

■ Ist die Konsolidierungspolitik im Westhandel für die DDR gefährdet? / Ölpreisverfall wirkt sich auf die DDR–Wirtschaft negativ aus

Von Erich Rathfelder

Mit dem ersten Jahr im neuen Planjahrfünft, 1986, können die DDR–Wirtschaftsplaner wohl kaum zufrieden sein. Durch den Ölpreisverfall auf den Weltmärkten sind für die DDR–Ökonomie Probleme aufgetaucht, die bei der Erstellung des Plans noch nicht vorausgesehen werden konnten. Der gegenwärtige Ölpreisverfall trifft vor allem die Westexporte, die bis zu vierzig Prozent aus Ölprodukten bestehen. Anders als die Bundesrepublik ist die DDR bei ihren Rohölimporten aus der UdSSR an langfristige Lieferungsfristen und Preisabsprachen gebunden. Indem nun die DDR gezwungen ist, aufgrund der in der östlichen Wirtschaftsgemeinschaft RGW gültigen Preisbildungsformel (gleitender Fünfjahresdurchschnitt) heutzutage über dem Weltmarkt liegende Preise für das Rohöl zu bezahlen, auf der anderen Seite aber als Exporteur von Mineralölerzeugnissen im Westen billiger als geplant verkaufen muß, tut sich eine Schere auf, die zu erheblichen Deviseneinbußen geführt hat. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beziffert den diesjährigen Nettoverlust allein aus dem Mineralölgeschäft für die DDR auf 800 Millionen Dollar, zehn Prozent des Exportwerts des vergangenen Jahres. Dabei hatte 1981 das Geschäft mit dem Öl für die DDR so profitabel angefangen. Damals bei noch hohen Weltmarktpreisen konnte sie mit dem relativ billigeren Sowjetrohöl durch die Weiterverarbeitung und den Absatz der End produkte im Westen harte Devisen erlösen. Die DDR hatte Verarbeitungskapazitäten geschaffen, die es ihr sogar erlaubte, gegen Devisen eingeführtes Rohöl von den freien Spotmärkten in Westeuropa für ihre Fertigprodukte zu benutzen und dabei erhebliche Gewinnspannen zu erzielen. Außerdem gelang es der DDR–Wirtschaftspolitik, ihre Handelspartner von den Vorteilen von Dreiecksgeschäften zu überzeugen: Die UdSSR liefert z.B. Rohöl in die DDR und zwar auf Kosten der Bundesrepublik. Die in der DDR verarbeiteten Mineralölprodukte werden dann im Rahmen des innerdeutschen Handels an die Bundesrepublik verkauft. Der westliche Vertragspartner fungiert also als Käufer des Rohöls und als Käufer der Produkte; ein durchaus profitables Geschäft für den Arbeiter– und Bauernstaat. Daß bei diesen Bedingungen der Anteil des Postens „Brennstoffe, mineralische Rohstoffe und Metalle“ 1984 mit 11,3 Milliarden Valutamark schon 40 Prozent des gesamten Exports einnahm, ist daher nicht verwunder lich. 1970 noch hatte der Anteil dieses Postens erst 20 Prozent betragen. 1984 folgten in weitem Abstand mit 20 Prozent des Exports die industriellen Konsumgüter und weit dahinter noch Produkte der Chemischen Industrie. Und so ist es auch kein Wunder, daß der Überschuß im Westhandel seit 1982 auf das Konto des Mineralölgeschäfts ging. Diese Warengruppe hatte also seit Beginn der achtziger Jahre den Export von industriellen Konsumgütern als „Finanzier von Westimporten“ aus seiner dominierenden Stellung ge drängt. Seither hat die DDR zielstrebig auf eine schnelle Überwindung der Liquiditäts– und Verschuldungskrise hingearbeitet. Nach eigenen Angaben hatten sich die Defizite der DDR im Westhandel von 1970 bis 1981 auf über 41 Milliarden Valuta–Mark summiert. Bis 1985 konnten dann diese Verbindlichkeiten auf 30 Milliarden VM heruntergedrückt werden. Doch mit der neuesten Entwicklung scheint diese schöne Bilanz wieder in Unordnung zu geraten. Da die DDR trotz der Exportprobleme künftig größere Investitionsvorhaben realisieren will, erscheint die Konsolidierungspolitik gefährdet. Ministerpräsident Willy Stoph hat bedeutende qualitative Veränderungen für die Kombinate des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und der Elektronik angekündigt. Die auf dem letzten Parteitag geforderte technisch–wissenschaftliche Revolution, die Modernisierung der Wirtschaft, kann ohne Importe aus dem Westen nicht durchgeführt werden. Auch wenn die DDR über erhebliche Devisenkonten im Westen verfügt, werden die dazu notwendigen Einfuhren negativ auf die Zahlungsbilanz zurückwirken. Die DDR kauft „auf Gedeih und Verderb“ High– Tech ein, beschreibt ein DDR– Fachmann die Situation und äußert die Vermutung, daß die in die Schlüsseltechnologien gesetzten Erwartungen viel zu hoch seien. Denn mit der Installation von Computern müsse die Umgestaltung der Arbeitsorganisation Hand in Hand gehen. Genau das sei aber eines der Schwachpunkte der DDR–Wirtschaft. Im Handel mit der Sowjetunion hat die DDR mit 340 Millionen Transferrubel allein im ersten Halbjahr 1986 ein Rekordnegativsaldo erwirtschaftet. So sieht die Zukunft für die DDR–Wirtschaft nicht gerade rosig aus. Auch wenn die Außenhandelsprobleme wieder in den Griff der Wirtschaftsplaner kommen sollten, so ist doch nicht zu übersehen, daß die Planvorgaben des Fünf–Jahr–Planes bis 1990 sich als unrealistisch erweisen könnten.

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