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DDR-„Tengelkammer“

■ DDR-Parlamentarier empört über eine „Werbeanhörung“ in der Volkskammer

Berlin (dpa) - Die erste öffentliche Anhörung im DDR -Parlament hat am Freitag viele Volksvertreter in Rage gebracht. „Das ist ein absoluter Skandal“, empörte sich Günter Nooke (Bündnis 90/Grüne) darüber, daß nur zwei Mitglieder von Handelsketten (des Konsumverbandes und der Tengelmanngruppe) in der Volkskammer Rede und Antwort zur Preisentwicklung in der DDR standen. Sieben Minuten konnten sich die Vertreter in ihren Eingangsstatements selbst darstellen. Und das DDR-Fernsehen übertrug die Eigenwerbung live. Gewerkschaften, Konsumenten und Einzelhandel blieben vor der Tür.

Zustandegekommen war die denkwürdige Veranstaltung unter Mithilfe von Ministerpräsident de Maiziere (CDU). Was dabei herauskam, hat selbst für den Volkskammervizepräsidenten Reinhard Höppner (SPD) „größere Nachteile“ als Nutzen gebracht. Auch für die Handelsministerin Sybille Reider (SPD) war die Anhörung „mehr als unbefriedigend“. Das Bündnis 90/Grüne verließ verärgert den Saal und forderte die beiden Handelsketten auf, das Geld für die Werbung - pro Minute 20.000 Mark - für einen gemeinnützigen Zweck zu spenden. Nooke erklärte vor laufenden Fernsehkameras, nur ein „Dilettantenparlament“ lasse sich so eine Veranstaltung bieten.

Die Parlamentarier waren erst am frühen Morgen über die Unterbrechung der Volkskammersitzung und die dann folgende öffentliche Anhörung unterrichtet worden.

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