: DDR-Rundfunk will 1.400 MitarbeiterInnen entlassen
■ Generalintendant Manfred Klein will Finanzloch von 31 Millionen stopfen / MitarbeiterInnen planen Demonstration
Berlin (ap/taz) - Beim DDR-Rundfunk sollen nach Angaben der (Ost-) 'Berliner Zeitung‘ bis zum Jahresende 1.400 MitarbeiterInnen entlassen werden. Wie das Blatt in seiner Samstagausgabe berichtete, soll im Herbst außerdem mit der Auflösung sämtlicher Klangkörper des Rundfunks begonnen werden. Das habe der amtierende Generalintendant Manfred Klein auf einer Gewerkschaftsvollversammlung der Gewerkschaftsvertrauensleute mitgeteilt.
Bereits ab 1. Juli sollen diesen Angaben zufolge quer durch alle Berliner Sender Beschäftigte entlassen werden. Nach der Zuteilung staatlicher Mittel fehlten dem Rundfunk für das zweite Halbjahr 31,1 Millionen D-Mark. Die Reduzierung des Personalbestands läuft laut 'Berliner Zeitung‘ für ganze Bereiche und Sender auf mehr als eine Halbierung heraus. So bedeute sie für die Funkdramatik (Hörspiel) einen Abbau von 118 auf 35, für den erst kürzlich ins Leben gerufenen DS -Kulturkanal von 173 auf 110, für das Jugendradio DT 64 von 143 auf 80 und für den Berliner Rundfunk von 209 auf 80 Mitarbeiter.
Kulturkanal und Jugendradio bleiben
Zum Schicksal der einzelnen überregionalen Sender hieß es, der DS-Kulturkanal und das Jugendradio sollten erhalten bleiben, der Berliner Rundfunk könne möglicherweise als Landessender erhalten bleiben. Radio DDR 1, früher Stimme der DDR, das nach ersten Plänen ein nationaler Informationskanal (Radio DDR aktuell) werden sollte, soll nach diesen jüngsten Meldungen ganz abgeschafft werden.
Allzu überrascht scheinen die MitarbeiterInnen des DDR -Hörfunks angesichts dieser radikalen Abspeckkur nicht zu sein. Marion Rausch, Kulturredakteurin bei DDR 2 und somit von den Reformplänen direkt betroffen, äußerte gegenüber der taz, daß schon seit Wochen Gerüchte über eine großangelegte Entlassungswelle in den Redaktionsstuben kursieren. Allerdings hätte sie wie viele ihrer KollegInnen die konkrete Meldung erst aus der Presse erfahren. Sie vermutet hinter der Aktion auch politische Motive. Verdiente Sendeformen würden jetzt mit dem Geldargument wegrationalisiert, ohne daß jemals ordentliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder Höreranalysen vorgelegt worden seien. Auch Jochen Lesching, der stellvertretende Vorsitzende der Hauptverbandes der IG Kunst mutmaßt, daß hier mit ökonomischen Zwängen politische Erwägungen verschleiert würden. Möglicherweise ginge es den Entscheidungsträgern auch darum, ein vermeintliches „linkes Restpotential“ im Rundfunk zu zerschlagen.
Enge Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt
Für die entlassenen KollegInnen befürchtet Marion Rausch schwere Zeiten heranbrechen. „Wir können nicht wie eine Schuhverkäuferin plötzlich im Fleischerladen eingesetzt werden. Um der drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen, würden viele der intelligenten KollegeInnen sich wohl auch zu Dumping-Preisen bei fragwürdigen publizistischen Unternehmen andienen.“ Diese Entlassungszahlen werden sicher auch die westdeutschen KollegInnen hellhörig werden lassen , meinte sie im Hinblick auf die entstehende Konkurrenzsituation auf dem enger werdenden Arbeitsmarkt.
Der DDR-Journalistenverband (VDJ) protestierte inzwischen in einer Erklärung „mit Empörung“ gegen die möglichen Entlassungen. Auch im DDR-Fernsehen seien Entlassungen zu befürchten. Umschulungsmaßnahmen wurden bislang nicht zur Verfügung gestellt. Die MedienarbeiterInnen der DDR planen darum für den kommenden Donnerstag eine Protestkundgebung.
utho
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