DAS WELTSOZIALFORUM DARF NICHT NACH PORTO ALEGRE ZURÜCKKEHREN : Reisen bildet
Um seine Funktion zu erfüllen, muss das Weltsozialforum der Globalisierungskritiker auf Reisen bleiben. Eine schlechte Idee ist es, dorthin zurückzukehren, wo es bislang dreimal abgehalten wurde – nach Porto Alegre in Brasilien. Gründe für die Rückkehr gibt es einige, nur keine guten. Im Internationalen Rat des Weltsozialforums hat die Südamerika-Lobby die Oberhand. Die Franzosen – umgeben mit dem Gründungsnimbus von Attac – und die Brasilianer mit ihrer Vorzeigestadt Porto Alegre haben das Heft in der Hand. Die Gruppen aus Asien konnten vor einem Jahr nur mit Mühe den vorübergehenden Umzug nach Bombay durchsetzen – unter der Bedingung, dass das Forum danach wieder in den Heimathafen einläuft.
Indem sie es wieder an seinen Ursprungsort zurückholen, nehmen die Organisatoren dem Forum einen weiteren Teil seiner Legitimation. Diese ist ohnehin angekratzt. Noch vor seinem Ende merkte die indische Bürgerrechtlerin Vandana Shiva schon an, viel sei ja nicht herausgekommen. Es reiche vielleicht auch, wenn man das Treffen der Welt-Opposition einmal alle zehn Jahre abhalte.
Weil bei einem derart großen Kongress mit 100.000 Teilnehmern der Streit über Positionen und Ziele viel zu kurz kommt, besteht die wichtigste Funktion des Forums darin, die unterschiedlichen Bedürfnisse derjenigen zu repräsentieren, die sonst kein Gehör finden. Das Weltsozialforum ist die Zusammenkunft der weltweiten Zivilgesellschaft – eine Mischung aus Parlament und urdemokratischer Dorfversammlung. Weil die Abgesandten der Völker und ihrer Initiativen in vielen Fällen mangels Geld keinen Interkontinentalflug buchen können, um nach Brasilien zu gelangen, muss das Forum zu ihnen kommen. Anders wird es seine Aufgabe, dem ärmeren Teil der Welt eine Stimme zu geben, nicht erfüllen können.
Nicht erst 2006 sollte es nach Afrika ziehen, wie die Organisatoren planen, sondern schon nächstes Jahr. Auch die USA wären ein guter Ort, um dem „anderen Amerika“, das sich von der Bush-Regierung nicht vertreten fühlt, Gehör zu verschaffen.
HANNES KOCH