DAS NEIN ZU NIZZA HABEN SICH IRLANDS POLITIKER SELBST ZUZUSCHREIBEN: Gesundes Misstrauen
Mit der Ablehnung des Vertrags von Nizza haben sich die Iren keineswegs vor den anderen Ländern der Europäischen Union blamiert. Sie sind auch nicht missgünstig gegenüber den osteuropäischen Ländern, die in die EU möchten. Das Nein zu Nizza haben sich Irlands Politiker selbst zuzuschreiben.
Bisher hatten die Iren noch alles abgesegnet, was man ihnen in Sachen Europa vorgelegt hatte. Deshalb wohl meinten sowohl Regierung als auch Opposition, Sprechblasen wie „Für eine bessere Zukunft“ oder „Ja zu Nizza“ würden auch diesmal reichen. Dass zwei Drittel der Wähler zu Hause geblieben sind, beweist, wie schlecht informiert sich die Menschen fühlten. Beim EU-Beitrittsreferendum 1972 hatten über 70 Prozent ihre Stimme abgegeben. Hinzu kommt, dass Irlands Politiker ihren guten Ruf verspielt haben. In den vergangenen Jahren sind so viele Korruptionsskandale, dunkle Finanzgeschäfte und Steuerhinterziehungen aufgedeckt worden, dass die irischen Zeitungen täglich auf ganzen Seiten über den neuesten Stand der verschiedenen Tribunale berichten müssen. Das ist keineswegs auf die Regierungspartei Fianna Fáil (Soldaten des Schicksals) beschränkt, sondern zieht sich quer durch alle großen Parteien. In der Bevölkerung hat sich daher mittlerweile ein gesundes Misstrauen gegenüber Politikern herausgebildet. Warum sollte man denen ausgerechnet beim Vertrag von Nizza glauben? Bertie Aherns Versprechen, irische Soldaten nur dann auf Auslandsmission zu schicken, wenn die Vereinten Nationen einem solchen Einsatz zustimmen, reichte den irischen Wählern nicht aus. Warum auch? Ahern hatte ihnen ein Referendum über Irlands Beitritt zur „Partnership for Peace“ versprochen, sich aber nicht daran gehalten.
Jetzt weisen sich die irischen Parteien gegenseitig die Schuld zu. Die Regierung überlegt, wie man Nizza doch noch durchbekommt – durch die Hintertür. Doch für so dumm werden sie die Iren nicht verkaufen können. Ohne grundlegende Veränderung des Vertrags sollte die Regierung gar nicht erst versuchen, einen neuen Volksentscheid anzuberaumen. RALF SOTSCHECK
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