DAS KLIMASCHUTZPROTOKOLL VON KIOTO SOLLTE BEERDIGT WERDEN: Auswuchs des Neoliberalismus
Eigentlich ist die Blockade des Klimaschutzes von George W. Bush eine Riesenchance für einen Neuanfang. Bereits unter Clinton/Gore hatten die USA für die Pervertierung der Klimaschutzidee gesorgt: In Kioto drückten sie die Einführung des Emissionshandels oder den Clean Development Mechanism (CDM) durch. Dadurch sollten sich die Industrieländer weit gehend von der Minimalverpflichtung freikaufen können, ihre CO2-Emissionen bis 2012 um 5,2 Prozent zu reduzieren. Eine neoliberale Degradierung des Weltklimas zur Ware.
Selbst diese Schlupflöcher waren den USA, Kanada und Japan auf dem letzten Klimagipfel in Den Haag nicht groß genug. Sie wollten einen Freibrief für weiteres Nichtstun in der nationalen Klimapolitik: Der dreiste Versuch, auch noch ihre Wälder als Kohlenstoffspeicher anrechnen zu lassen, scheiterte – zum Glück – am Widerstand der EU.
Doch jetzt sieht es wieder ganz danach aus, als sollte auf der Bonner Klimakonferenz das dürftige und heillos überbürokratisierte Kiotoprotokoll noch weiter abgeschwächt werden, um die größten Klimasünder „wieder ins Boot zu holen“. Warum eigentlich?
Durch ihre emsige Lobbyarbeit für einen freien Welthandel mit Treibstoffgasen behindert die neue Kaste der Emissionshändler das längst fällige Umsteuern in der Klimapolitik. Auch für manch eine Regierung der hoch verschuldeten Entwicklungsländer wird der Verkauf von Emissionsrechten verlockend. Selbst Umweltgruppen in den Ländern des Südens liebäugeln mit Emissionsdollars für ihre Projekte.
Andere Länder beharren zu Recht auf dem Verursacherprinzip, nach dem die Hauptaufgabe der Industrieländer immer noch die drastische Reduzierung ihrer eigenen Emissionen zu sein habe. Denn am Nord-Süd-Gefälle bei der höchst ungleichen Ressourcennutzung ändert sich bisher wenig. Der Norden ist für vier Fünftel der seit 1850 erfolgten CO2-Emissionen verantwortlich – der Süden darf dies in Form von immer häufigeren „Naturkatastrophen“ ausbaden.
Es wird langsam Zeit, unsere Ökoschulden gegenüber der Dritten Welt abzutragen. Zum Beispiel durch nicht kommerziellen Technologietransfer von sauberen Energien, die es den Ländern des Südens ermöglichen würden, vom zerstörerischen Entwicklungsmodell des 20. Jahrhunderts abzurücken. Oder durch den Erlass von Auslandsschulden, wenn die Abholzung von Tropenwäldern gestoppt wird. Erster Schritt: Das marode Kiotoprotokoll beerdigen – als absurden Auswuchs einer neoliberalen Wachstumsphilosophie, die maßgeblich für die Gefährdung des Weltklimas verantwortlich ist. GERHARD DILGER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen