DAS JOB-AQTIV-GESETZ SCHAFFT KEINE STELLEN, ABER SUBJEKTIVE ZUKUNFT: Eine neue Sicht auf die Arbeitslosigkeit
Manchmal bestimmt das Bewusstsein ja auch das Sein und nicht umgekehrt. Ein neuer Testfall für die These ist das „Job-Aqtiv-Gesetz“, das voraussichtlich vom kommenden Jahr an in Kraft treten wird. Mit diesem Job-Aqtiv-Gesetz wird zwar keine einzige neue Stelle geschaffen, aber das Bewusstsein von Arbeitslosigkeit könnte dadurch nachhaltig verändert werden. Arbeitslosigkeit soll künftig eindeutig als subjektiv vorübergehender Zustand definiert sein und nicht mehr als eine dauerhafte Situation mit einer Art Grundeinkommen gelten. Genau auf dieses Verständnis zielen die „Eingliederungsvereinbarungen“, die künftig zwischen Joblosen und deren Beratern in den Arbeitsämtern abgeschlossen werden.
In diesen Vereinbarungen wird eine Art Zukunftsplan für den Arbeitslosen aufgestellt, der Verpflichtungen des Jobsuchenden, aber auch Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes enthält. 3.000 zusätzliche Vermittler stehen dazu demnächst in den Arbeitsämtern bereit. Das klingt erst mal gar nicht so schlecht – die Frage ist nur, was in der Praxis daraus wird.
Für diejenigen unter den Jobsuchenden, die in der Regel ohnehin nur etwa drei bis vier Monate ohne Arbeit sind, wird sich durch den Eingliederungsplan nicht viel ändern – sie erleben nur etwas mehr Druck von den Arbeitsämtern, die momentane Situation nicht zu einer dauerhaften werden zu lassen. Was aber ist mit jenem guten Drittel der Arbeitslosen, die bereits länger als ein Jahr ohne Stelle sind? Was ist mit dem oft zitierten, aber höchst realen 50-jährigen arbeitslosen Facharbeiter mit gesundheitlicher Einschränkung oder mit der 50-jährigen jobsuchenden Büroangestellten aus einer abgelegenen Region in den neuen Bundesländern? Was hilft diesen ein Eingliederungsplan? Das ist die spannende Frage.
Einerseits können die Berater diese Langzeitarbeitslosen stärker in ungeliebte Jobs oder Maßnahmen zwingen, schließlich gilt für diese Klientel kein Berufsschutz und auch das zu erwartende Einkommen einer angebotenen Stelle darf nach wie vor relativ niedrig sein. Andererseits aber haben diese Betroffenen künftig auch Rechte auf verstärkte Vermittlungsbemühungen, falls sie weder eine Beschäftigungsmaßnahme noch einen neuen Job finden. In der Praxis kann also beides passieren: Im schlimmsten Fall bedeuten die „Eingliederungspläne“ nur mehr Zwang oder gar Schikane. Im besten Fall aber bieten sie für den einen oder anderen doch ein Stück subjektiver Zukunft. Und schon allein deshalb gilt: Einen Versuch sind sie wert. BARBARA DRIBBUSCH
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