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Archiv-Artikel

DAS DING, DAS KOMMT Tonband in Plastik

DIE KASSETTE wird nicht von DJs und audiophilen Lehrern gerettet werden wie die Schallplatte. Aber sie lebt noch – als Kuriosität

Von ALDI
Die MC war knapp vier Jahrzehnte lang das Adoleszenten-Medium schlechthin

Kurz bevor sie im Mai 2010 den „Eurovision Song Contest“ gewann, veröffentlichte Lena Meyer-Landrut ihr erstes Album: „My Cassette Player“ hieß das – und kündete damit von einer kalkuliert-koketten Form der Retromanie. Denn die Kassette – genauer die „Compact Cassette“ oder auch „MusiCassette“ (MC) – war schon ganz schön aus der Mode, als der Spatz von Hannover, Jahrgang 1991, zur Zielgruppe entsprechender Abspielgeräte herangereift gewesen sein dürfte.

Erfunden in den frühen 1960er-Jahren beim Elektronik-Konzern Philips, war die MC knapp vier Jahrzehnte lang vielleicht das Adoleszenten-Medium schlechthin: Wer sie als Hörspiel-Träger hinter sich gelassen hatte, sei’s für „Bibi Blocksberg“, sei’s für „Die drei ???“, der ließ sich später von Freunden all die Schallplatten darauf aufnehmen, die man sich selbst nicht leisten mochte oder konnte; und nahm im Gegenzug für die Freunde auf, was nur man selbst hatte.

In Tauschringen auf unzähligen Schulhöfen nicht nur der westlichen Welt war das in Plastik eingesperrte schmale Tonband die gängige Währung. Weil jedes Kopieren in diesem analogen Universum mit einem Qualitätsverlust einherging, und die Kassette selbst ein einziges Verschleißteil mit begrenzter Lebensdauer war, konnte all das sogar die Musikindustrie noch halbwegs verschmerzen.

Bis sich ab den 1980er-Jahren die CD flächendeckend durchsetzte, war die Kassette obendrein auch ein Erwachsenen-Tonträger: im Autoradio. Die CD ihrerseits stirbt längst einen langsamen Tod – verdrängt durch die zunehmende Entmaterialisierung der Musik in MP3s und Verwandtem. Nicht so die Schallplatte, der DJs und Audiophile einen späten Frühling auf niedrigem Niveau bescheren.

Und die Kassette? Erlebt auf noch bescheidenerem Level ein zaghaftes Wiederaufblühen: Wer etwa im Internet das Semiprofessionelle-Musiker-Portal Bandcamp besucht, stößt in letzter Zeit zunehmend auf Kassetten, meist in limitierter Auflage.

So machen es etwa die Dead Neanderthals, niederländische Free-Jazzer, die jüngst auch in Norddeutschland einige Bühnen betraten. Und so macht es – auf ihrer eigenen Website – jetzt gerade die Indie-Rock-Band Zehn Meter Feldweg aus Hamburg-Altona: Ihre EP „Schwarzer Fluss“ erscheint kommenden Freitag, zum Direkt-aufs-Smartphone-Laden – und als Kassette.  ALDI