DAS BERLINER WIRTSCHAFTSRESSORT BIETET CHANCEN FÜR DIE GRÜNEN: Aschenputtel wird Königin
Der Berliner Wirtschaftssenator ist ein Aschenputtel. Zu Hause kümmert er sich um den Dreck, während die Musik in München spielt. Fast 16 Prozent offizielle Arbeitslosigkeit: Die Ökonomie der Hauptstadt liegt am Boden. Dass jetzt die ehemalige Öko-Partei nach einem derart hoffnungslosen und scheinbar auch einflusslosen Posten greift, steht freilich im Einklang mit ihrer Entwicklung: Die Grünen haben sich von den sozialen Rändern mittlerweile in die Hauptströmung manövriert. Das gesellschaftliche Über-Ich mutierte zum Ego des politischen Pragmatismus. Neben Ökologie wurden die neuen Themen „Sparen“ und „modernes Unternehmertum“ nach vorne geschoben.
Die Eroberung des Wirtschaftsressorts erscheint deshalb nicht nur folgerichtig, sie bietet auch eine große Chance. Wenn die Grünen wollen, können sie tatsächlich einen dritten Weg entwickeln: Zwischen Markt und Staat, zwischen Wettbewerb und ihrer eigenen sozialen Tradition. Wie am Beispiel des Skandals um die landeseigene Bankgesellschaft Berlin zu sehen ist, dreht sich Wirtschaftspolitik in der Hauptstadt im Wesentlichen um die großen öffentlichen Unternehmen: Wasser- und Gasversorgung, Nahverkehr und Abfallbeseitigung. Die Fragen lauten immer: Wie weit muss man diese Giganten mit ihren Zehntausenden von Arbeitskräften im Sinne der Haushaltssanierung dem Wettbewerb aussetzen, wie weit darf die Privatisierung gehen, welche Verantwortung trägt in Zukunft der Senat? Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) muss man zum Beispiel so organisieren, dass sie gleichzeitig Kosten sparen, eine moderne, konkurrenzfähige Infrastruktur bieten und langfristig wieder Jobs schaffen, anstatt immer nur die Zahl der Stellen zu reduzieren.
Ein metropolitanes Verkehrssystem zu etablieren, das seinen Namen verdient, ist eine Riesenaufgabe, an der die Grünen, sollten sie das Wirtschaftsressort länger behalten, scheitern, mit deren Erfüllung sie aber auch glänzen können. Aschenputtel hat nicht nur die Chance, Königin werden, sondern vor allem eine Königin, die das Volk liebt. HANNES KOCH
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