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DARF MAN DOITSCH?

■ Konejung & Schroth mit „Gnadenlos Deutsch“

Manchmal trifft es einen hart und regelmäßig. Prompt sitzt wieder jemand vor, hinter oder neben einem, der unbedingt glaubt, seinen lauten Senf zum Programm geben zu müssen. Letztes Mal, bei Deutschmann, saß so ein quakender Wichtigtuer und Besserwisser hinter mir, der mit seinen unqualifizierten Barbareien in Worten Essig machte. Diesmal war es ein Angeber direkt vor mir, wollte dem mitgebrachten Mädel zeigen, was eine spontane Harke ist und brummelte ungefragt und ungebeten immer dann in den Saal, wenn man ihn garantiert gut hören konnte. Und in der Pause gab er ihr auch noch Tips zum Psychologiestudium. Mein Gott, Therapien können auch nach hinten losgehen.

Aber mal weg davon und hin zum Thema. Konejung und Schroth sind schon rein äußerlich ein ideales Paar. Konejung ist groß, etwas beleibt, von den Bewegungen her mehr ein Elefant im Porzellanladen, dessen ungeachtet aber verwandlungsfähig. Seine Spezialität sind die fiesen Figuren, die er sich direkt beim Volk abschaut - ob GTI-Nazi, Polit-Conferencier zwischen D.T. Heck und Johannes Gross oder andere gitteligen Typen von der Straße, die einem den Horizont zumüllen.

Schroth dagegen ist wuselig und klein, untersetzt, die wenigen Haare sind kurzgeschoren, der ganze Mann braungebrannt, außer, wenn er einen vor Erregung roten Kopf bekommt - und den bekommt er oft als Giftzwerg, den er herauskehrt, Galle spuckend aus der rückständigen Gedankenwelt.

Zusammen ergründen sie die Frage: Was ist deutsch? Darf man deutsch sein? Und wenn nein, warum ist man's doch? Wer fühlt sich wohl in diesem Land und wenn nicht, warum gründet man dann Vereine, um sich wohl zu fühlen? Tritt Roten Armeen, Grauen Panthern oder Nudisten-Clubs bei beziehungsweise versucht, mit einem Arierausweis unter dem Arm doitsch zu werden? Genug Fragen für einen langen Abend.

Meistens stehen Konejung und Schroth nicht gemeinsam auf der Bühne. Ihr Programm ist eine Nummernabfolge von deutschen Prototypen, wie sie den Kudamm hoch- und runterbratzen. Konejung ist, wie gesagt, der Spezialist für das gemeine Gemüt. Als käme er direkt aus einem Spandauer Vorort oder der Silbersteinstraße, steht er auf der Bühne: hellblaue Jogging-Hose, graues Winter-Sweatshirt, wiederum hellblaue, schlappige Weste mit einliegender Marlboro und speckigem Kamm, auch die in Silberglanz eingefaßte Brille fehlt nicht; zwischen der Tennissocke und der Hose ist ein blasses Stück Fleisch zu sehen, und natürlich hält er auch die Autoschlüssel in der Hand. Um dann zwischen Polierung des Hecks und Wegmampfen von Whoppern das Politisieren anzufangen, wie es Dummhansens Art ist; eben mit dieser herablassenden Art des Bescheidwissens, das keinem vernünftigen Argument zugänglich ist, dafür aber zu jedem kollektiv sanktionierten Totschlag bereit.

Giftzwerg Schroth hingegen holt, was man kaum für möglich hält, noch mal Witz heraus bei der Übertragung von RAF -Forderungen in ein anderes Metier. Als grimmiger Alter, verbitterter Stockschwinger geht er kurz vorm Löffelabgeben ein letztes Mal in die Offensive, die Umgebung zu terrorisieren im Namen von Trude Unruh (einer Frau übrigens, die, hat man sie einmal gehört, bleibende Hörschäden hinterläßt: ist wohl über Lebensabendaufgabe ins Kreissägenmäßige abgekippt).

Mit der Stimmigkeit solcher Nummern steht und fällt das Programm. Manchmal fällt es arg. Etwa, wenn Schroth dazu übergeht, ein vorletztes Mal die Toscana- und Vollwertkost -Szene zu geißeln - wo die ätzende Szene momentan doch dort sitzt, wo über Toscana, Vollwertkost gelacht wird. Diesen neuartigen und hinterhältigen Metropolen-Verwendungstyp (mv -fähig) hätt‘ ich gern mal auf der Bühne gesehen, in seiner ganzen überheblichen Dreistigkeit, einem Gemisch aus verprovinzialisiertem Größenwahn und blöder Nachbellerei. Dagegen ist der übliche Hippie noch 1a knorke.

Bis auf diese wenigen Mißgriffe in die Idealtypenkiste und die eher unoriginellen Gesangseinlagen wie tausendmal persifliert, gehört Gnadenlos Deutsch zum besten Teil des Restvorkommens von Kabarett. Aber vielleicht geht es damit insgesamt auch wieder bergauf - denn die Jahre beginnen, doitsch zu werden. Und irgendwann muß man sich entscheiden: entweder deutsch oder denken. Beides zusammen geht nicht.

Höttges

„Gandenlos Deutsch“ bis 17.Dezember, Mittwoch bis Sonntag, 21Uhr, im Mehringhoftheater.

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