DAILY DOPE (554): Ehrenwert, aber unkorrekt
Die Briten scheitern vor dem Internationalen Sportgerichtshof mit dem Plan, keine Sportler zu Olympia zuzulassen, die mal beim Pfuschen erwischt wurden.
Nun dürfen sie doch. Dwain Chambers, erster überführter Kunde des Doping-Designers Victor Conte (Balco-Labor), darf sich wieder Hoffnungen auf einen Olympiastart in seiner Geburtstadt London machen. David Millar, einer der vielen Epo-Sünder, die der Radsport kennt, darf ebenfalls sein Können in die Waagschale werfen, um dem Landsmann Mark Cavendish zur Verwirklichung von dessen „Plan Gold“ im olympischen Straßenrennen zu verhelfen. Das ergab das mit Spannung erwartete Urteil des Internationalen Sportgerichtshof Cas am Montag. Es erklärte damit den Versuch des Britischen Olympischen Komitees BOA, überführte Doper auch nach Absitzen ihrer Sperre von Olympia auszuschließen, für nicht rechtens.
„Das ist enttäuschend“, kommentierte Großbritanniens Sportminister Hugh Robertson die Entscheidung. Robertson hatte gehofft, dass die britischen Sportverbände autonom ihre Nominierungskriterien bestimmen können. Dazu gehören neben der sportlichen Qualifikation eben auch ethische Komponenten. Das ist ehrenwert. Die Weltantidopingagentur Wada sah in einem Olympia-Bann für Ex-Doper allerdings eine von ihrem Reglement nicht gedeckte weitere Doping-Sanktion und legte Einspruch ein. Der Cas gab nun diesem Einspruch nach. Die Sportrichter hielten sich an den Grundsatz, dass niemand für das gleiche Delikt doppelt bestraft werden kann. Das ist korrekt. Die britischen Sportfunktionäre hätten im Übrigen schon vorab wissen können, dass sie mit ihrer Werbeaktion für ein sauberes Olympia auf so verlorenem Terrain stehen wie etwa ihre Kicker bei einem Elfmeterschießen gegen die DFB-Auswahl.
Im November 2011 hatte bereits der 400-m-Olympiasieger LaShawn Merritt seine Chance auf einen Olympiastart vor dem Cas durchgesetzt. Der US-Amerikaner war mit einem verbotenen Zusatz eines Penisvergrößerungsmittels aufgefallen. Die Zahl britischer Sportler, die sich gegen ein solches Verbot erfolgreich zur Wehr setzten, ist noch größer. Denn seit 1992 versucht die BOA, zurückgekehrte Doper von der Olympiaqualifikation auszuschließen. Seitdem gab es 25 Verfahren. In allen bis auf einem wurde dem Einspruch der Sportler stattgegeben.
Juristische Vorgeschichte
Auf diese juristische Vorgeschichte wies der Cas in seiner Urteilsbegründung hin. Der Einzige, der seinen Einspruch nicht bis zum Ende durchzog, war – in Hinblick auf Olympia 2008 in Peking – Dwain Chambers. Jetzt profitiert der Hallen-Welt- und -Europameister auf den Sprintstrecken ohne eigenes Zutun ausgerechnet vom Engagement der Wada. Das ist pikant. „Wir haben unsere Position sehr sorgfältig geprüft und bedauern die vielen hysterischen und fehlerhaften Attacken des Britischen Olympischen Komitees“, erklärte Wada-Präsident John Fahey. In ihrem Versuch, die Olympischen Spiele in ihrem Lande zumindest von Dopingvergangenheit zu reinigen, hatten die Gastgeber überzogen.
Ganz vom Tisch ist eine Olympiasperre für Ex-Doper aber nicht. Dazu müsste das Wada-Reglement geändert werden. Diesen Weg schlug der Cas auch in seiner Urteilsbegründung vor.
Das liegt zudem ganz auf der Linie einiger Sportler. Der britische 110-m-Hürden-Europameister Andy Turner via Twitter: „Entweder man sorgt weltweit für eine lebenslängliche Sperre für Doper oder man lässt es komplett bleiben.“ Diane Modahl, eine ehemalige 800-m-Läuferin aus England, die in ihrer Karriere von einem Verdacht befreit wurde, weil die Proben unsachgemäß gelagert waren, begrüßte zwar das Urteil, plädierte aber für eine Dopingsperre von vier Jahren statt derzeit zwei.
Die Debatte um eine Regelverschärfung erhält damit neue Nahrung. Fraglich ist nur, ob es sich um eine temporäres „Shock and Awe“ in zeitlicher Nähe zu sportlichen Großereignissen handelt oder tatsächlich um den Willen zur Abschreckung gerungen wird. Um Änderungen des Wada-Codes wird es erst nach Olympia gehen.
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