Crowdfunding für Computerspiele: Die Ödnis fruchtbar gemacht
Über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter wird ein Nachfolger des Abenteuerspiels „Wasteland“ finanziert. Innerhalb kürzester Zeit kam eine Million Dollar zusammen.
BERLIN taz | Brian Fargo ist begeistert. „Ein Traum ist wahr geworden“, twitterte der Spieleentwickler, er habe die „beste Woche seines Lebens“ hinter sich. Fargo hat allen Grund zur Begeisterung. Mehr als 1,4 Millionen Dollar konnte er bei Kickstarter für die Entwicklung seines Rollenspiels „Wasteland 2“ sammeln, sein Projekt hat über 26.000 Unterstützer. Vorerst, denn für das Projekt kann noch vier Wochen lang gespendet werden.
Die Crowd hat wieder einmal zugeschlagen. Nach Tim Schafers Erfolg für die Entwicklung seines „Double Fine Adventure“ ist Wasteland 2 ein weiteres Computerspiel, dessen Entwickler keine Publisher fanden und stattdessen auf die finanzielle Macht der Crowd setzten.
Beide Projekte konnten innerhalb kürzester Zeit astronomische Spendensummen verbuchen. Die Aktion sei ein „Warnsignal“ für die großen Publisher, ließ Brian Fargo verlauten. Die private Finanzierung für Computerspiele sei auf dem Vormarsch.
Fargo ist kein No-Name in der Branche. Sein //de.wikipedia.org/wiki/Wasteland:postapokalyptisches Rollenspiel Wasteland wurde 1988 von der Computer Gaming World zum Spiel des Jahres gewählt und gilt unter Computerspielezeitschriften regelmäßig als eines der besten bislang veröffentlichten Computerspiele. Ein Markenrechtsstreit verhinderte die Entwicklung eines Follow-ups, und nachdem die Rechte geklärt waren, wollte kein Publisher das Spiel produzieren.
Also wählte Fargo den gleichen Weg wie Schafer und wandte sich an die Crowd. Seine Fans schienen auf das Projekt gewartet zu haben: Weniger als zwei Tage dauerte es, bis der Entwickler das selbst gesetzte Ziel von 900.000 Dollar erreichte, um die Wasteland-Fortsetzung zu finanzieren. Nun kehrt Wasteland also auf die Computerbildschirme zurück – und Fargo triumphiert.
Denn in dem Video, mit dem er für sein Projekt wirbt, lästert er ordentlich über die großen Publisher, die nicht glaubten „dass Interesse an einem soliden Old-School-Spiel besteht“. In seinem Video durch schmierige, Farmville spielende Geldhaie oder in der Nase bohrende Jungspunde vertreten, glänzen die Publisher vor allem durch Desinteresse an traditionellen, rundenbasierten Rollenspielen. Und ignorierten, so Fargo, die Wünsche der Fans.
Auch der deutsche Spieleentwickler Daniel Dumont bemängelt, dass die großen Publisher kaum mehr Risiken eingingen, wenn es um neue – oder, wie in Fargos Fall, traditionelle – Spielideen geht. Der Creative Director der Gaming Minds Studios glaubt, dass sich viele Publisher eher von Verkaufszahlen als Kreativität und Vision beeindrucken ließen.
Aber auch wenn Dumont die Möglichkeit nicht ausschließen will, ein Spiel von der Crowd finanzieren zu lassen, schätzt er doch die Sicherheit, die ein Vertrag mit einem Publisher bietet: „Wer Mitarbeiter beschäftigt, muss sich darauf verlassen können, dass das Geld ankommt.“ Bei einer Crowdfunding-Aktion sei das nicht gegeben, „die Flexibilität, die Kickstarter bietet, muss man sich schon erlauben können.“
Erfolg durch Prominenz
Thomas Friedmann, Geschäftsführer von Funatics Software und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Computerspielindustrie beobachtet die Crowdfunding-Projekte mit großem Interesse. „Es wäre schön, wenn die Entwickler Erfolg hätten, weil es einen alternativen Weg der Spielefinanzierung aufzeigen würde“. Einen neuen Trend will er aber nicht bestätigen. „Die klassische Finanzierung über einen Publisher wird auch in Zukunft bestehen bleiben.“
Denn die Finanzierung über die Crowd sei nicht massentauglich. Gerade für kleinere und weniger bekannte Entwickler sei es schwierig, genügend mediale Aufmerksamkeit und die entsprechende finanzielle Unterstützung zu erlangen. Es brauche schon einen großen Namen, „ein Spiel, mit dem die Menschen etwas assoziieren können“.
Davon profitierten Brian Fargo und Tim Schafer. Ihr Erfolg lässt sich dabei wohl vor allem ihrer Popularität und Vernetzung zuschreiben. Beide sind Koryphäen auf dem Gebiet der Spieleentwicklung und seit vielen Jahren in der Branche tätig. Mit ihren Spielen begeisterten sie in den Achtzigern und Neunzigern Millionen.
Ihre Fans sind mittlerweile dem schulpflichtigen Alter entwachsen. So können sie mehr als nur ein Taschengeld für die Reminiszenz der Rollenspiele spenden: Hunderte von Spenden im vierstelligen Bereich sind bislang bei Kickstarter eingegangen. Razer-CEO Min-Liang Tan ging mit prominentem Beispiel voran: 10.000 Dollar spendete der Hersteller von Computerzubehör für Fargos Projekt – und entschuldigte sich gleichzeitig per Tweet dafür, früher eine Schwarzkopie von Wasteland besessen zu haben.
Die Aktion läuft noch bis Mitte April weiter. Ob Brian Fargo dabei den Rekord seines Kollegen brechen kann, ist noch offen – mehr als 3,3 Millionen Dollar kamen für Schafers Projekt, das letzte Woche auslief, zusammen. Die Erfolge dürften übrigens auch die Kickstarter freuen. Fünf Prozent der Einnahmen gehen an die Crowdfunding-Plattform.
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