Crowdfunding-Initiative für Urheberrecht: Konkurrenz für die Gema
Künstler und Produzenten wollen das Monopol der Verwertungsgesellschaft brechen. Das Startkapital für eine „faire Alternative“ ist so gut wie zusammen.
BERLIN taz | 47.173 Euro in 18 Tagen: Für den Frust über mangelnde Flexibilität, restriktives Vorgehen und die 2012 beschlossenen Tariferhöhungen der Gema gibt es neben wütenden Blogeinträgen und Demos ein neues Ventil. Denn die Cultural Commons Collecting Society (C3S) will eine „faire Konkurrenz“ zur bisher monopolistischen Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte bieten.
Das Geld dafür soll per Crowdfunding zusammenkommen. Um den nächsten Schritt zu gehen, braucht die Initiative bis September 50.000 Euro. Zweieinhalb Wochen nach dem Start am 14. Juli ist diese Summe nun fast beisammen.
„Wir sind überwältigt von den positiven Reaktionen“, sagt Wolfgang Senges, der unabhängige Künstler und junge Musik- und Medienunternehmen berät und zum Kernteam der Initiative gehört. Das Ziel der elf Künstler, Musiker und Produzenten, die das Projekt im Mai 2012 ins Rollen brachten, ist es, den Musikschaffenden die Möglichkeit zu geben, ihre Urheberschaft individuell zu bestimmen – und damit auch die Entwicklung einer Kultur der freien Inhalte zu stärken.
Frei heißt in diesem Zusammenhang nicht notwendig kostenlos, sondern meint die Freiheit des Urhebers, zu entscheiden, ob eine Weitergabe seines Werkes beispielsweise unter Freunden kostenlos und nur eine kommerzielle Nutzung kostenpflichtig sein soll.
Die Gema vertritt die Urheberrechte von mehr als 65.000 Musikern, Textautoren und Musikverlegern in Deutschland. Von Musiknutzern treibt sie Gelder ein und verteilt sie nach Abzug ihrer Kosten an die Urheber.
Bisher hat die Gema de facto die Alleinherrschaft
Bisher hat der Verein mit Sitz in Berlin im Bereich der Vertretung von musikalischen Aufführungsrechten de facto die Alleinherrschaft: Wenn auf einer öffentlichen Veranstaltung Musik gespielt wird, nimmt die Gema zunächst automatisch an, dass sie die Rechte der Urheber vertritt. Wenn die Musik frei verfügbar ist, müssen die Veranstalter das anhand einer Auflistung aller gespielten Lieder nachweisen.
Urheber, die nur einige ihrer Stücke frei zugänglich machen wollen, haben das Nachsehen: Die Gema rechnet in vielen Fällen pauschal ab. Ausnahmen seien mit ihrem derzeitigen Wahrnehmungsmodell nicht vereinbar sei. Kritiker werfen der Gema vor, mit diesem Vorgehen zu verhindern, dass sich ein an das digitale Zeitalter angepasster Umgang mit Urheberrechten entwickeln kann.
Die C3S will jedem nutzenden Mitglied eine Stimme geben. Wie erfolgreich dieser basisdemokratische Ansatz sein könne, müsse sich erst noch zeigen, heißt es aus der Gema. Auch Rolf Schwartmann, Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, rät zum Abwarten: „Es ist zu begrüßen, dass ein alternativer Weg versucht wird.“ Allerdings dürfe man „nicht enttäuscht sein, wenn sich im direkten Wettbewerb bewährte Strukturen durchsetzen“.
„Positiver Dialog“ zwischen C3S und der Gema
In der Debatte um eine grundsätzliche Neuausrichtung des Urheberrechtes strebt die C3S einen Mittelweg an: „Wir arbeiten mit dem bestehenden Urheberrecht, können aber flexibel auf Änderungen reagieren“, sagt Senges. Wird die C3S vom Deutschen Patent- und Markenamt, das Verwertungsgesellschaften in Deutschland beaufsichtigt, als solche zugelassen, muss sie sich den Markt der Rechtswahrnehmung bei Musiktiteln mit dem Riesen Gema teilen.
Die Befürchtung, dass Veranstalter nun zwei Tracklisten an zwei Verwertungsgesellschaften schicken müssen, weist die C3S von sich: „Wir wollen keine doppelte Berichterstattung über die Verwendung von Musik bei öffentlichen Veranstaltungen.“ Mit der Gema gab es bereits Gespräche über Möglichkeiten der Zusammenarbeit. „Wir stehen in einem positiven Dialog“, sagt Gaby Schilcher, Sprecherin der Gema.
Die C3S steht noch ganz am Anfang: Am 25. September, pünktlich zum Reeperbahnfestival, soll zunächst eine europäische Genossenschaft gegründet werden, die die Basis für eine europaweit operierende Verwertungsgesellschaft wäre. Neben den 50.000 Euro braucht die C3S für die Zulassung mindestens 3.000 Mitglieder, die ein wirtschaftlich relevantes Repertoire zur Verfügung stellen – denn nur mit kostenlosen Werken kann auch die C3S nicht arbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!