Cross-Media-Krimi im ZDF: Dieser Film hat Internetanschluss
Halb Film, halb Online-Spiel: Das ZDF wagt mit "Wer rettet Dina Foxx?" (23.20 Uhr) ein Experiment für junge Zuschauer - und ist eine Spur zu berufsjugendlich.
23.20 Uhr ist ein unerhört guter Sendeplatz für eine Produktion des Kleinen Fernsehspiels vom ZDF. Für gewöhnlich werden die Filme der Nachwuchsredaktion des Senders nach Mitternacht versteckt, damit auch bloß nicht zu viele Leute mitbekommen, dass das ZDF-Hauptprogramm mehr zu bieten hat als "Notruf Hafenkante" oder "Volle Kanne".
Insofern ist die Programmierung des Cross-Media-Krimis "Wer rettet Dina Foxx?" im Anschluss an das spanische Pokalfinale Real Madrid - FC Barcelona ein schöner Erfolg für das "Forschungslabor", wie Redaktionsleiterin Claudia Tronnier die Funktion des Kleinen Fernsehspiels im ZDF-Gefüge beschreibt. Dem Labor-Anspruch ist man wohl mit kaum einem Projekt der vergangenen Jahre so gerecht worden wie mit "Dina Foxx". "Einem Film", so die Kurzfassung des betreuenden Redakteurs Burkhard Althoff, "der im Fernsehen beginnt, nach 50 Minuten an einem Cliffhanger abbricht und im Internet fertig gespielt werden muss" - und zwar vom Zuschauer selbst. In drei Wochen sollen sie die Unschuld von Datenschutzaktivistin Dina Foxx (Jessica Richter) beweisen, die unter Verdacht steht, ihren Programmiererfreund Vasco (Max Woelky) getötet zu haben.
Kosten wurden bei der Low-Budget-Produktion gescheut, Mühen jedoch nicht: Für die Mördersuche im Netz wurden insgesamt 20 Websites konzipiert (darunter freidaten.org als Zentrum des Spiels) und 30 Social-Media-Profile angelegt. Auf diesen Plattformen verteilen sich ingesamt 300 Minuten Videomaterial und hunderte von Texten und Fotos.
Nach der Ausstrahlung geht die Arbeit für die zwölf Spielredakteure erst richtig los, als Rollenspieler müssen mit ihren Figuren Spuren im Netz hinterlassen und mit den Usern kommunizieren - "ein Fulltime-Job", sagt Kristian Costa-Zahn vom UFA Lab, dem neben der ZDF-Zentralredaktion Neue Medien für den Onlineteil verantwortlichen Partner. Die Produktion des Films liegt bei teamWorx.
Ausgangspunkt für "Dina Foxx" war ein Dokumentarfilmvorhaben von Regisseur Max Zeitler zu Datenschutz und Datensicherheit im Onlinezeitalter. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, "dieses Thema a) realisierbar und b) unterhaltsam umzusetzen", sei man recht schnell auf diese Cross-Media-Variante gekommen, sagt Redakteur Althoff, der wie alle am Projekt Beteiligten stolz darauf ist, dass ein Internetthema in internetaffiner Form umgesetzt wurde.
Das ZDF will mit "Wer rettet Dina Foxx?" neue Erzählformen ausprobieren und damit jüngere Zuschauer ansprechen - also alle unter 50 -, um so das Senderimage zu modernisieren. Das ist so verständlich wie nötig, nur kommt "Dina Foxx" wohl zu anbiedernd daher, um von der Zielgruppe - allen voran den Digital Natives - angenommen zu werden: Die fahrige Bildsprache, die szenigen Kulissen und Kostüme, die obercoolen Dialoge, die prätenziösen Namen und alles irgendwie ironisch gebrochen - die ausgestellte Lässigkeit wirkt berufsjugendlich-bemüht und erzeugt Überdruss. Man hätte Thema wie Publikum doch auch einfach ernst nehmen können.
Dabei will man "Dina Foxx" eigentlich mögen und wünscht ihr schon deswegen eine Hammerquote, damit das ZDF solch vielversprechende Laborversuche nicht gleich wieder einstellt. Und vielleicht hält ja schon das nächste Experiment, was es verspricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen