Cricket-Boom in Deutschland: Kölner Krieger
Wie der afghanische Flüchtling Khaled Mohmand ein Cricket-Team aufgebaut hat und auf seine Art für einen kleinen Boom der Sportart sorgt.
BERLIN taz | „Die Menschen zu erreichen, das geht am besten über ihre Leidenschaft – bei uns Afghanen ist das Cricket.“ Deshalb hat Khaled Mohmand, 32, vor zwei Jahren den Cricket-Verein Cologne Warriors gegründet. Er wollte seine Landsleute zusammenführen.
In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland eine rasante Entwicklung in der Randsportart Cricket. Viele der Flüchtlinge aus Bangladesch und Afghanistan, aber auch Austauschstudenten aus Indien und Pakistan nutzen Cricket, um in Deutschland den Sport ihrer Heimat zu spielen.
„Der Sport bringt uns zusammen. Wir tauschen uns über Probleme aus und helfen uns gegenseitig“, sagt Mohmand, „Cricket ist für uns eine Art Plattform, um andere Menschen besser kennen zu lernen und uns gegenseitig zu unterstützen.“ Bereits nach zwei Jahren gelang es dem Kölner Team, Meister in Nordrhein-Westfalen zu werden. Mit der Trophäe in der Hand strahlten Warriors-Spieler in diesem Juli gegenseitig um die Wette. Doch so viel Freude und Glück wie in diesem Augenblick verspürten sie nur selten in ihrem Leben.
Viele der Spieler stammen aus Krisenländern. Ihnen blieb keine andere Möglichkeit als Flucht. Krieg, politische Verfolgung und der einfache Wunsch nach Bildung veranlassten sie, nach Deutschland zu kommen. Besonders im Fall von Mohmand war der Drang nach Wissen ausschlaggebend. Er ist selbst ein Flüchtlingskind. Anfang der 90er Jahre musste er mit seiner Familie Afghanistan verlassen.
Damals arbeitete sein Vater für die Sowjets, die Afghanistan okkupiert hatten. Die Islamisten verfolgten und ermordeten Unterstützer des alten Regimes der Kommunisten, da sie als Ungläubige galten. Ohne Hab und Gut musste Khaled Mohmands Familie nach Indien fliehen. Er war gerade einmal zehn Jahre alt. In Indien lernte er nicht nur Hindi, sondern auch Englisch und besuchte eine englische Schule.
Reise zur Schwester
„Meine Eltern wollten immer, dass wir Kinder eine gute Ausbildung genießen, doch in Indien gibt es kaum Perspektiven“, sagt er. Daher entschied sich die Familie, den Sohn nach Deutschland zu seiner Schwester zu schicken, damit er eine bessere Bildung erhält. Ein Schleuser brachte den 16-jährigen Jungen nach Deutschland.
Khaled Mohmand durfte bei seiner Schwester und ihrem Mann wohnen und besuchte eine deutsche Schule, an der er nicht nur die zehnte Klasse absolvierte, sondern auch das Abitur schaffte. Während der Zeit gelang es ihm sogar noch, mit einer gültigen Arbeitserlaubnis sich selbst zu finanzieren. Aber das reichte Mohmand noch lange nicht. Er hatte große Ziele, studierte und ergatterte ein Stipendium für einen Aufenthalt in England. Um das Stipendium zu bekommen, benötigte er die deutsche Staatsbürgerschaft, die er 2007 erhielt.
In Indien hatte Mohmand angefangen, Cricket zu spielen. Er blieb dabei. Zwar findet man keine genauen Statistiken über die Herkunft der Spieler in Deutschland, aber ein Anstieg ist spürbar. Hierzulande gibt es etwa 3.000 Cricket-Spieler, davon besitzen gerade einmal die Hälfte eine deutsche Staatsbürgerschaft.
Mit Aufenthaltsgenehmigung in der Nationalelf
Natürlich gibt es wie auch im Fußball rein afghanische oder aus Bangladesch stammende Vereine, doch die sind eher die Ausnahme. Auch die deutsche Nationalmannschaft ist multikulturell aufgestellt; von vierzehn Spielern besitzen fünf keine deutsche Staatsbürgerschaft, dafür aber eine Aufenthaltsgenehmigung, die ausreicht, um anzutreten.
Ein Problem ist das nicht, eher eine gewollte Integrationsmöglichkeit: „Das ist das Gute am Cricket. Hier kommen Menschen aus völlig unterschiedlichen Ländern wie Sri Lanka, Pakistan, Afghanistan, Indien, England und aus Deutschland zusammen und können sich kennen lernen und austauschen,“ sagt Brian Mantle, Geschäftsführer des Deutschen Cricket-Bundes. Das ist ein Konzept, das Früchte trägt, wie man am Beispiel von Khaled Mohmand sieht.
Die Mittel in dieser Sportart sind jedoch begrenzt. Es gibt zu wenig Cricket-Plätze für immer mehr Mannschaften. Eigentlich sind es nur zwei echte: in Husum und Werder an der Havel.
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