"Cowboys und Aliens" mit Harrison Ford: Reiten, reden und reiten
Jon Favreaus "Cowboys and Aliens" gibt sich dem B-Movie-Wahnsinn leider nicht hin und bleibt - schlimmste Sünde - todlangweilig.
Ein Fremder kommt in die Stadt. Im Wildwestkino ein sicheres Anzeichen für bevorstehende Schusswechsel, zumal in diesem Fall, da dieser Fremde (Daniel Craig) an seinem Handgelenk ein unabnehmbares Stück außerirdisches Hightech trägt - ihm selbst ein Rätsel - und unter völliger Amnesie leidet.
Für Ärger sorgt aber zuerst der bengelhafte Sohn (Paul Dano) des drakonischen Großfarmers Dolarhyde (Harrison Ford), der die Stadt, wie es die Genrekonvention will, buchstäblich bluten lässt. Versteht sich, dass der Fremde umgehend interveniert. Und ebenso, dass Dolarhyde noch eine Rechnung von früher mit dem Fremden zu begleichen hat.
Bis hierhin ließe sich sagen: So weit, so gut. Nur die Aliens, die die Stadt - als Fremde höherer Ordnung sozusagen - aus heiterem Himmel angreifen und dabei, unter anderem, auch den Farmersohn entführen, würde man so im Western nicht erwarten, wüsste man nicht, dass der Film programmatisch "Cowboys and Aliens" heißt.
Was folgt, ist eine episodisch erzählte Versöhnungsgeschichte: Eine von inneren Spannungen überschattete Gesellschaft überwindet im Zuge der gemeinschaftlichen Alienabwehr hoch zu Ross ihre Partikularinteressen und Konflikte - sogar die Indianer im Umland schließen sich dem, nach anfänglichen Differenzen, an.
Sonderbares ikonografisches Echo
Der hysterische B-Movie-Wahnsinn, den der Titel verlockend in Aussicht stellt, bleibt indessen aus: "Cowboys and Aliens" nimmt seinen Pulp-Plot aus völlig unerfindlichen Gründen schrecklich ernst. Der Film bleibt erzählerisch betulich und setzt auf eine völlig unterambitionierte Inszenierung. Während das amerikanische Fernsehen als neuer Hort dynamischen, unkonventionellen Erzählens gefeiert wird, orientiert sich "Cowboys and Aliens" am ästhetischen Modus altbackener Science-Fiction- und Westernserien, die es in den frühen 90ern zuhauf im Nachtprogramm zweitklassiger Privatsender zu sehen gab. Es wird geritten, dann geredet, wieder geritten und nochmals geredet - peu à peu reiht sich die Story kleinteilig auf die Perlenschnur.
Von der Warte eines smarten Unterhaltungskinos betrachtet, ist "Cowboys and Aliens" somit denkbar uninteressant und, schlimmste Sünde, todlangweilig. Immerhin sachte interessanter wird der Film zum Ende hin, wenn es den Aliens in einer Umkehrung der klassischen Wagenburgschlacht an den Kragen geht: Unter Einsatz von basalem Lowtech wird die wolkenkratzerartig im Wüstenboden steckende Zentrale der Außerirdischen gerade in jener Öffnung pyrotechnisch effektiv angegriffen, durch welche die Kampfraumschiffe der Aliens ein und aus fliegen.
Es ist ein sonderbares ikonografisches Echo der Medienberichterstattung über den 11. September, deren einzelne Zeichenpartikel einem hier losgelöst, verschoben und rekonfiguriert entgegentreten. Zum 10. Jahrestag kehrt das Trauma von New York im Gewand unverbindlichen Wildwest-Actionkinos in einer Neuinterpretation als Triumph zurück: Nicht das eigene, sondern das Hochhaus der Invasoren geht in Flammen auf.
Es ist ein gemeinschaftliches Großereignis, das eine zerriebene Gesellschaft vor der Kulisse eines Westerns, der amerikanischsten Mythenmaschine schlechthin, wieder auf jenen festen Boden bringt, der in den letzten Bildern des Films gefeiert wird. Mit Blick auf das US-Actionkino der 80er-Jahre, in dem Stallone, Schwarzenegger und Chuck Norris sich den Vietkong-Kämpfern anverwandeln mussten, um den Vietnamkrieg nachträglich im Kino zu gewinnen: Neu ist diese Methode nicht.
"Cowboys and Aliens". Regie: Jon Favreau. Mit Daniel Craig, Olivia Wilde, Harrison Ford u. a. USA 2011, 118 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt