Corona-Krise in Berlin: Der Tag: Appell an Solidarität
BVG zählt nicht weniger Fahrgäste wegen Corona-Virus. Überlegungen zu Einschränkung des Fernverkehrs. Fridays for Future sagen Streiks ab.
Berlin dpa/epd/taz | In den U-Bahnen, S-Bahnen und Bussen gehen die Menschen zwar gefühlt auf Abstand – zumindest ist das der Eindruck, den man hat, wenn man mit Bus und Bahn in der Stadt unterwegs ist. Im Fahrradabteil in den S-Bahnwagen setzen sich die Menschen auf Lücke, so es nur irgendwie geht. Türknöpfe werden nur mit den Ellenbogen aufgedrückt – oder man wartet auf den Nachbarn, das der es tut.
Spürbar weniger Passagiere zähle die BVG aber bisher nicht, sagt eine Sprecherin. „Die Leitstelle meldet uns zurück, dass die Züge genauso ausgelastet sind wie immer.“ Die Waggons hätten Gewichtsanzeigen, daran sei ersichtlich: „Regen oder Sonne bestimmt nachwievor, ob die Waggons zu 70, 80 oder 100 Prozent ausgelastet sind.“ Das Virus habe noch keinen messbaren Einfluss.
Seit Donnerstagmorgen sollen Fahrgäste in den BVG-Bussen zudem nur noch die hinteren Türen benutzen, die FahrerInnen verkaufen keine Tickets mehr. Mehr Kontrolleure werde man aber nicht einsetzen, so die Konzernsprecherin. „Da appelieren wir an Anständigkeit und Solidarität der BerlinerInnen.“
Mit der neuen Türpolitik in den Bussen will die BVG ihr Personal und die Fahrgäste vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen- Fahrgäste sind gebeten, sich vorher am Automaten oder elektronisch ein Ticket zu kaufen. Zwischen den ersten Sitzen und der Fahrerkabine werde in den Bussen zudem ein Flatterband als Absperrung gespannt, sagte ein BVG-Sprecher.
Über die Bildschirme in den U-Bahnen möchten die BVG zudem Verhaltensempfehlungen für Fahrgäste verbreiten, wie Husten und Niesen in die Armbeuge.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat vor Beginn der Ministerpräsidenten-Konferenz am Donnerstag eine Einschränkung des Bahnverkehrs wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ins Spiel gebracht. „Wird sie (die Deutsche Bahn) nun in Zukunft in Berlin und München und in Köln genauso halten wie bisher oder schränken wir den Verkehr ein“, fragte er am Donnerstag im ZDF-“Morgenmagazin“. Mit dieser Frage müsste man sich auf Bundesebene beschäftigen.
Fridays for Future setzen Streik aus
Im Umgang mit der Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 räumte Müller Fehler ein. „Ich glaube, dass ich auch schneller hätte entscheiden müssen, wirklich alles abzusagen“, sagte er. Zugleich kritisierte er, dass es in der Vergangenheit keine Möglichkeit gegeben habe, ein gemeinsames Vorgehen in der Krise abzustimmen. Deshalb forderte Müller eine koordinierende Ebene für die Dinge, die länderübergreifend zu regeln sind.
Wegen der Coronakrise haben die Fridays For FutureBerlin ihren geplanten Klimastreik am Freitag abgesagt. „Das Risiko ist einfach zu groß“, sagte eine Sprecherin der Klimaschützer. Bis zum 24. April seien jeden Freitag Streiks geplant gewesen. Ob die Termine und der Großstreik am 24. April auch abgesagt werden, stehe noch nicht fest. Weiteres solle zum Wochenende bekanntgegeben werden.
Nicht nur der Streik in Berlin fällt aus – auch große Demonstrationen vor den bayerischen Kommunalwahlen wurden abgesagt. Ihren Protest führen die Schüler online weiter – über Instagram rufen sie zum „#NetzstreikFürsKlima“ auf.
CSD wackelt ebenfalls
Das Myfest und der Karneval der Kulturen wurden wegen der Coronakrise bereits abgesagt – auch die Veranstalter des Berliner Christopher Street Days (CSD) überlegen, ihre diesjährige Parade zu verschieben oder abzusagen. „Wir beobachten die Lage weltweit sehr genau“, sagte Vorstandsmitglied Ralph Ehrlich am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Das Organisationsteam sei in engem Kontakt mit den Behörden. Mit anderen Paraden in Deutschland und in anderen Ländern bestehe ebenfalls reger Austausch.
Der CSD Berlin soll in diesem Jahr am 25. Juli stattfinden. Im vergangenen Jahr lockte der CSD laut Veranstaltern eine Million Feiernde an – so viele wie nie zuvor. Mit dem abgesagten Myfest und Karneval der Kulturen entfallen bereits zwei der bekanntesten und größten Straßenfeste der Hauptstadt.
Kirchen gehen digital
Die Kirchen in Berlin haben für Gottesdienste und Veranstaltungen die Christen zu Vorsichtsmaßnahmen aufgerufen. So sollten Personen, die viel Kontakt zu anderen Menschen haben, erwägen, das Händeschütteln zu unterlassen, um ältere und geschwächte Personen vor Ansteckung zu schützen, heißt es am Donnerstag auf der Homepage der Evangelischen KircheBerlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Die Ausgabe des Abendmahls und das Beieinandersein vieler Personen auf engem Raum stehe im Ermessen der Gemeinden, sei jedoch zurzeit nicht ratsam, um die Verbreitung des Virus nicht zu begünstigen.
Gemeinden könnten, wenn sie Kapazitäten dafür haben, ihr Internet-Angebot erweitern, hieß es weiter. Die evangelische Landeskirche hat darüber hinaus auf ihrer Internetseite Informationen über die Infektionserkrankung und zu vorbeugenden Hygienemaßnahmen aufgelistet.