Corona-Ausbruch auf Kreuzfahrt: Reederei ignorierte Pandemieregeln
Bei einer Kreuzfahrt auf einem Hurtigruten-Schiff haben sich Personal und Passagiere mit Corona infiziert. Der Betreiber räumt schwere Fehler ein.
Das Hurtigruten-Schiff „Roald Amundsen“ hat Norwegen, das die Pandemie bislang recht glimpflich überstanden hat, das bisher schwerste einzelne Corona-Infektionsgeschehen eingebrockt. Am vergangenen Freitagvormittag war das Schiff nach einer einwöchigen Kreuzfahrt zur Arktisinsel Spitzbergen ins nordnorwegische Tromsø zurückgekehrt. Alle Passagiere gingen von Bord. Um 13.22 Uhr teilte die Reederei mit, dass zwei Besatzungsmitglieder positiv auf Corona getestet worden seien. Mittlerweile sind 36 der 156 Besatzungsmitglieder und 7 Passagiere nachweislich mit dem Virus infiziert.
Die Informationen, die seither bekannt wurden, zeigen eine unglaubliche Nachlässigkeit der Reederei im Umgang mit Corona-Schutzvorschriften. Sie begann damit, dass Hurtigruten zur Wiederaufnahme der Kreuzfahrten nach Spitzbergen am 17. Juli aus mehreren Ländern Besatzungsmitglieder einfliegen ließ, die meisten aus den Philippinen. Sie durften ihre Arbeit an Bord der „Roald Amundsen“ aufnehmen, obwohl sie laut der norwegischen Gesundheitsbehörde Folkehelseinstituttet (FHI) vorher eine 10-tägige Quarantäne durchlaufen und Tests hätten absolvieren müssen.
Am vergangenen Mittwoch, zwei Tage bevor das Hurtigruten-Schiff von der zweiten Spitzbergen-Kreuzfahrt seit Beginn der Pandemie zurückkehrte, informierte Ingebjørn Bleidvin, Arzt einer Inselgemeinde auf den Vesterålen, Hurtigruten und das FHI über einen Covid-19-Fall. Da sich sein Patient zum größten Teil der Inkubationszeit auf der ersten Spitzbergen-Kreuzfahrt der „Roald Amundsen“ aufgehalten habe, sei eine dortige Ansteckung höchstwahrscheinlich. Hurtigruten bat das FHI, eine Pressemitteilung zu stoppen, und versprach eine eigene Information der Passagiere und der Öffentlichkeit. Tatsächlich passierte nichts. „Die Abmachung hat man gebrochen“, kritisiert FHI-Abteilungsleiterin Line Vold. Die Polizei ermittelt nun wegen möglichem Verstoß gegen das Seuchengesetz. Wertvolle Zeit verstrich, weil Hurtigruten erst am Freitagabend die Passagierlisten der „Roald Amundsen“ herausgab und die Gesundheitsbehörde verzögert die Arbeit zur Nachverfolgung der Kontakte und Infektionsketten aufnehmen konnte.
Hohe Schuldenlast
Wollte Hurtigruten die Personalkosten für die Quarantänezeit der Besatzung sparen und hatte vielleicht sogar gehofft, den Covid-19-Ausbruch geheim halten zu können, um Stornierungen zu vermeiden? Das fragen nun viele Medien. Dem in Luxemburg registrierten Konzern, der mehreren Investmentfonds gehört, drückt eine schwere Schuldenlast, so die Osloer Tageszeitung Aftenposten. Im Juni habe man von Banken einen Milliardenkredit für nur 11 Prozent Zinsen bekommen.
Nicht nur dem eigenen Ruf, sondern der Kreuzfahrtbranche insgesamt dürfte Hurtigruten einen Bärendienst erwiesen haben. Die Regierung in Oslo hat die erst vor zwei Wochen für Kreuzfahrtschiffe geöffneten Häfen des Landes wieder für Schiffe mit mehr als 100 Passagieren geschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“