Contra Kinder-Account-Gesetz : Erziehen, nicht kontrollieren

Allen beunruhigten Eltern sei gesagt: Freundschaften in Online-Netzwerken führen nur selten zu bizarren Freundschaften. Nötiger als das Gesetz wäre Medienkompetenz.

So schlimm ist es im Netz dann doch nicht. Bild: Ernst Vikne | CC-BY-SA

In Kalifornien wurde nun also die Idee geboren, Eltern den Zugang zu den sozialen Netzwerken ihrer Kinder zu ermöglichen. Per Gesetz. Was Offline möglich ist - die Überwachung des Nachwuchs – soll, nach dieser Logik auch Online erfolgen können. Selbstverständlich nur zum Schutz vor allem Bösen und Fiesen, das sich ja bekanntlich vor allem im Internet herumtreibt.

Es ist eine beruhigende Wahrheit, dass Mutter und Vater nicht jeden Moment des Lebens ihrer Kinder kontrollieren können. Eltern wollen nämlich gar nicht nur vor akuter Gefahr schützen, sondern vor allem eins: Dass die Kinder nicht mit den Asis von nebenan spielen.

Weder Off- noch Online. Auch bei Facebook soll das Kind nur auf die "Gefällt mir"-Buttons anderer obst- und vollkornbrotfressenden Jugendlicher klicken, die sie in den Ferien bei Vamos-Reisen kennengelernt haben und auf keinen Fall das letzte Foto der Zufallsbekanntschaft von Autoscooter kommentieren.

Klar, wenn die 14-jährige Tochter alle ihre Kontakte per SchülerVZ zum Blaumachen auffordert, wäre es der Erziehung dienlich, dies auch zu erfahren. Doch es gibt da ja immer noch eine Schule, die Sie über die Fehlzeiten der Schulschwänzerin aufklären wird. Die beiden Welten Offline und Online sind mitnichten getrennt, sondern eins. Oder leben Ihr Kind und sein Smartphone auf verschiedenen Planeten?

Nachfragen, reden und sich interessiert zeigen

Allen beunruhigten Eltern sei gesagt, dass der kleine Freiraum, den "Social Networks" bieten, nur selten zu bizarren, nicht nachvollziehbaren Freundschaften führt. Soziale Netzwerke nämlich, so schreibt Hannah Pilarczyck in ihrem Buch "Sie nennen es Leben", sind weniger offen als gedacht. "Teenager nutzen sie in der Mehrzahl, um bereits bestehende Kontakte zu pflegen."

In dieser Konstellation feilt das Kind an seiner Medienkompetenz, kommentiert, lädt hoch, lästert, teilt aus, steckt ein. All das wäre tot, wenn die Jugendlichen überwacht würden. Eltern, schreibt Klaus Raab in "Wir sind Online – Wo seid ihr?", sind Eindringlinge. Und bedrohen sie die Gemeinschaft, werden einfach andere Ausgrenzungsmechanismen angewandt, Untergruppen gebildet, in der Fußgängerzone getroffen.

Eltern müssen sich auskennen

Nötiger als einen automatischen Zugang, ja Zugriff, auf die Konten der Kinder, wäre etwas anderes: Eltern müssen sich endlich auskennen mit dem, vor allem für das, was dort im Internet zu finden ist. Sie müssen nicht alles mitmachen, aber sollten wissen, dass nicht alles böse und fies ist, was aus dem W-Lan suppt.

Sondern dass es auch hier Verbote und implizite Gebote gibt, an die sich Nutzer, auch junge, in der Regel halten. Ein größeres Problem als das verborgene Leben im Web liegt sowieso darin, dass Jugendliche zu wenig auf ihre Privatsphäre achten, und alles jedem zugänglich machen. Hier sollten Eltern erziehen, nicht kontrollieren. Nachfragen, reden und sich interessiert zeigen. Zur Not kann Vati auch seinen Sohn googeln. Das reicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.