■ Contra: Die „Befreiungsarmee“ UCK ist nicht das albanische Volk: Skrupellose Freiheitskämpfer
Bilder von verbrannten albanischen Dörfern im Kosovo, Flüchtlingskolonnen, Leichen albanischer Rebellen, Berichte über „serbische Massker“ gehen durch die Welt. Und so mancher empörter Mitmensch fühlt sich moralisch verpflichtet, im brutalen Spiel im Kosovo für die „albanischen Opfer“ zügellos Partei zu ergreifen. So weit, so gut. Nur ist die tatsächliche Sachlage, wie immer auf dem Balkan, nicht so einfach.
Die „Kosovo-Befreiungsarmee“ (UCK) ist nicht das albanische Volk. Die UCK ist nämlich kein Opfer, sie ist selbst der Täter, der ganz bewußt das albanische Volk im Kosovo in den Kampf mit der militärisch überlegenen Streitmacht Serbiens hineinziehen will. Die UCK greift serbische Polizisten und die Armee an, haut dann schleunigst ab und überläßt die albanische Zivilbevölkerung den Vergeltungsaktionen der serbischen Ordnungshüter. Dann taucht sie wieder als der „einzige Beschützer des unbewaffneten albanischen Volkes“ auf.
Die Taktik hat sich bewährt: Nach jedem Vergeltungsschlag wächst der Haß gegen den serbischen Feind, und immer mehr albanische Zivilisten sind bereit, sich dem „Volksbefreiungskampf“ anzuschließen. Je mehr Opfer es unter Albanern gibt, desto stärker wird die UCK.
Natürlich ist die UCK und das Freiheitsverlangen der Kosovo-Albaner im Schoß des serbischen Nationalismus und der unverhüllten Repression des serbischen Regimes im Kosovo entstanden. Nur, wenn man schon naiv verlangt, daß moralische Werte die Politik der Staatengemeinschaft im Kosovo bestimmen sollen, muß man sich auch die moralische Frage stellen: Berechtigt das eigene Freiheitsideal die UCK, eigene Landsleute als Kollaborateure zu liquidieren, nur weil sie als Postboten oder Förster für den serbischen Staat arbeiten; oder serbische Häuser in Brand zu stecken, Serben massenhaft zu entführen und hinzurichten, nur weil sie Serben sind? Sollen Deutschland und die Schweiz die Bankkonten sperren, über die die UCK finanziert wird und sich Waffen ankauft, oder nicht?
Letzten Endes wird die Staatengemeinschaft aus pragmatischen Gründen gezwungen sein, die UCK, so, wie sie eben ist, zu akzeptieren und mit ihr zu verhandeln. Aber die militante Gruppe als romantische Freiheitshelden zu idealisieren ist einfach falsch. Die Spitze der UCK ist skrupellos und schreckt vor nichts zurück, um ihr heiliges Ziel zu erreichen: die Vereinigung aller Albaner in eienem unabhängigen Staat – und zwar unter der Führung der UCK. Andrej Ivanji
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