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■ Contra: Der Angriff auf den Irak verstößt gegen das VölkerrechtGilt ab nun das Recht des Stärkeren?

Es ist erst einige Wochen her, daß der Deutsche Bundestag der Beteiligung der Bundeswehr an einem möglichen Militärschlag gegen Jugoslawien zugestimmt hat. Redner der neuen Bundesregierung betonten bei dieser Gelegenheit ausdrücklich, es handele sich bei der Kosovo-Krise um eine ganz spezifische Ausnahmesituation, die keinesfalls zu einem Präzedenzfall für Angriffskriege ohne UN-Mandat werden könne. Jetzt haben die USA und Großbritannien es im Konflikt mit dem Irak nicht bei einer militärischen Drohkulisse belassen, sondern das Land ohne Auftrag der Vereinten Nationen bombardiert. Die Ausnahmen häufen sich.

Die beiden Nato-Staaten haben ihren Luftangriff im Alleingang unternommen. Er ist kein Bündnisfall. Dennoch war die Botschaft unmißverständlich: Solidaritätsbekundungen der Verbündeten wurden erwartet – und geliefert. Die Furcht, daß die USA ihre schützende Hand von Europa abziehen könnten, scheint so übermächtig zu sein, daß dahinter alle Bedenken zurückstehen.

Zwar haben einige Vertreter der Bündnisgrünen vorsichtige Kritik am Vorgehen der Vereinigten Staaten geübt, aber der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping haben eilig für Rechtens erklärt, was nicht Rechtens ist.

Der irakische Präsident Saddam Hussein ist ein verbrecherischer Diktator. Er hat immer wieder gegen UNO-Resolutionen verstoßen, und er hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er jederzeit auf brutale Weise Krieg gegen sein eigenes Volk und gegen andere Völker zu führen bereit ist. Die Welt wäre ohne ihn besser dran. Das aber rechtfertigt keinen militärischen Angriff gegen den Irak, für den die völkerrechtliche Grundlage fehlt.

Rechtsnormen, die je nach Bedarf für verbindlich oder eben nicht erklärt werden, sind keine. Das Völkerrecht ist der kleinste gemeinsame Nenner politischer Moral, auf den sich die Staatengemeinschaft verständigt hat. Saddam Hussein hat dagegen immer wieder verstoßen. Wenn als Konsequenz daraus jedoch auch seine Gegner glauben, dagegen verstoßen zu dürfen, ist die internationale Politik endgültig zum Recht des Stärkeren als einzigem Maßstab zurückgekehrt.

Es hat in der Geschichte der Menschheit immer wieder gerechte Kriege gegeben – gerecht jedenfalls aus dem Blickwinkel der jeweiligen Angreifer. Bei früheren Gelegenheiten aber stand wenigstens stets das Kriegsziel fest. Nicht einmal das trifft für den Luftschlag gegen den Irak zu. Es gehe nicht darum, Saddam Hussein zu töten oder gefangenzunehmen, hat die britische Regierung mitgeteilt. Worum geht es dann?

Es ist schwer vorstellbar, daß irgend jemand glaubt, Kooperationsbereitschaft mit der UNO lasse sich herbeibomben, zumal ja gerade durch den Angriff auf Bagdad die Vereinten Nationen für politisch bedeutungslos erklärt worden sind.

Darüber hinaus hat der Luftschlag die Arabische Liga in die Solidarität mit Saddam Hussein gezwungen, und auch Moskau fühlt sich brüskiert. Die Folgen können weitreichend sein. Aus Protest gegen den Militärschlag nimmt der russische Verteidigungsminister nun nicht an der Nato-Herbsttagung teil, außerdem gilt die Ratifizierung des Abrüstungsabkommens Start 2 in der Duma als gefährdet.

Es ist schwer erträglich, daß angesichts der geltenden Rechtslage jedes Ständige Mitglied des Sicherheitsrats mit seinem Veto den Rest der Welt zur Tatenlosigkeit verurteilen kann. Die Konsequenz daraus muß jedoch die Forderung nach einer Reform der UNO sein, nicht ihre Marginalisierung. Es gibt für das Völkerrecht und seine Beachtung keinen Ersatz, auch nicht den noch so hehrer moralischer Ziele.

Bettina Gaus arbeitet als Leiterin des Bonner Büros der taz

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