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Contergan-Opfer protestierenHungern für mehr Akzeptanz

Ein Fernsehfilm hat das Schicksal der Contergan-Opfer wieder zum Thema gemacht. Einige kämpfen jetzt um bessere Entschädigung. Doch die Herstellerfirma mauert.

Das Medikament löste bei rund 5000 ungeborenen Kindern in Deutschland beträchtliche Fehlbildungen an den Gliedmaßen aus. Bild: dpa

Trotz 18-tägigen Hungerstreiks ist die Wut von Stephan Nuding groß. "Enteignet" worden seien die deutschen Opfer des Contergan-Skandals, "viel zu gering" die Entschädigungen, schimpft der 47-Jährige. Er leidet selbst an den Spätfolgen des Schlafmittels: Nudings rechter Arm ist verkürzt, die Hand versteift. "Arbeiten kann ich nur mit dem linken Arm - der wurde schließlich neunmal operiert", sagt er bitter.

Seit zweieinhalb Wochen hungert Nuding zusammen mit seiner 79-jährigen Mutter und der durch Contergan geschädigten Gihan Higasi im Gemeindezentrum der Evangelischen Andreaskirche in Bergisch Gladbach; Norbert Schweyen hat aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Die Aktivisten fordern die Verdreifachung der vom Staat gezahlten Entschädigungen auf bis zu 3.270 Euro pro Monat. Außerdem soll die Herstellerfirma Grünenthal aus Aachen einmalig 1 Million Euro an jedes noch lebende Contergan-Opfer zahlen, schließlich drohe Altersarmut. "Viele von uns konnten nie arbeiten", sagt Nuding. Viel Geld sei nötig, um die Behinderungen erträglich zu machen: "Wer seinen Mund als Greifwerkzeug benutzen muss, braucht speziellen Zahnersatz, wer verkürzte Arme und Beine hat, spezielle Kleidung."

Contergan-Hersteller Grünenthal weist die Forderungen der Hungerstreikenden komplett zurück. Zwar habe man Verständnis dafür, dass "Contergan-Betroffene auf ihre Lebenssituation aufmerksam machen" wollten, so Grünenthal-Sprecherin Anette Fusenig in einer schriftlichen Stellungnahme. "Völlig unrealistisch" sei aber die Höhe der Forderungen, die sich angesichts von 5.000 Contergan-Opfern weltweit auf 5 Milliarden Euro summierten. Dem Hungerstreik werde sich die Firma deshalb keinesfalls beugen: "Wir reagieren nicht auf Druck dieser Art."

Grünenthal verweist auf eine Regelung aus dem Jahr 1971. Der Contergan-Hersteller hatte sich mit den Eltern der Opfer auf einen Vergleich geeinigt und zahlte 100 Millionen Mark in eine Stiftung. Weitere 320 Millionen Mark gab der Bund. Doch schon im Mai 1997 war das Geld aufgebraucht. Alle weiteren Entschädigungen zahlt der Staat.

Das Strafverfahren gegen den damaligen Grünenthal-Eigentümer Heinrich Wirtz war nach knapp dreijährigem Prozess im Dezember 1970 wegen "geringfügiger Schuld der Angeklagten" eingestellt worden. Dabei hatte Grünenthal Contergan erst vom Markt nehmen lassen, nachdem bereits 1.600 Warnungen wegen beobachteter Fehlbildungen an Neugeborenen vorlagen.

Die Opfer erhielten wegen der mangelhaften finanziellen Ausstattung der Stiftung bis Mai 2008 lediglich monatliche Entschädigungen von maximal 545 Euro. Erst aufgrund des öffentlichen Drucks durch den WDR-Film "Eine einzige Tablette" beschloss der Bundestag, den Betrag zu verdoppeln. Auch Grünenthal kündigte an, weitere 50 Millionen Euro in die Stiftung einzuzahlen. Freiwillig, wie das Unternehmen betont. Doch den Hungerstreikenden reicht das nicht. Grünenthal-Erbe Sebastian Wirtz müsse sich Gespräche mit ihnen stellen, fordern sie. Der Contergan-Hersteller hat sich bis heute nicht bei den Opfern entschuldigt. Wohl aus Angst vor weiteren Regressforderungen "bedauert" die Firma bislang nur, was geschah.

Viel zu schwach seien die Forderungen des Bundesverbands der Contergangeschädigten, sagt Aktivist Nuding: "Grünenthal muss endlich anerkennen, was uns angetan wurde." Nuding kündigt deshalb weitere Aktionen an: "Wenn wir aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hungern können, werden sofort andere Contergan-Geschädigte in den Hungerstreik treten."

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4 Kommentare

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  • SK
    Sigrid Kwella

    Es ist unfassbar, was in unserem Land geschieht!!!!

     

    Die Regierung macht die Augen zu und Grünenthal hat sie nie wirklich aufgemacht, um zu sehen, was sie angerichtet haben. Nun gibt es einen großen Bankenskandal und die Regierung zahlt eben mal unmengen von Millarden, wer weiß, wie viel es jetzt ist, in diesem Moment, wahrscheinlich noch wieder 10 Millarden mehr.

     

    Und wir? Wir müssen von Almosen leben, mit unseren Schmerzen kämpfen, um jedes Hilfmittel kämpfen und tausende von Anträgen schreiben, Widersprüche und all das, das frist so viel Zeit und Energie. Wir haben keine Zeit mehr, wir werden jeden Tag älter, schon bald 50 Jahre!!

     

    Wenn ich nicht grad das Glück mit einer neuen Arbeit hätte, ich würde sofort nach Köln fahren und den Hungerstreik fortsetzen, allein, ich kann es mir nicht leisten, meine Arbeit zu verlieren.

     

    Ich bin so unfassbar wütend, ich kann es kaum beschreiben!!!!!!!!!!!

     

    Herr Wirtz, ich fordere sie auf, endlich zu handeln, die Firma hat genügend Geld, verdient täglich an dem Wirkstoff, dass uns schädigte!!! Und noch an vielen Produkten mehr!!

    Wir wollen nicht, dass die Firma pleite geht, wir wollen nicht, dass ihre Mitarbeiter entlassen werden!! Aber zwischen dem Almosen von 50 Mio. und 5 Millarden liegen Welten.

    Handeln sie, JETZT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Wir werden nicht aufhören, bis zu unserem letzten Atemzug, das schwöre ich Ihnen!!!!!!

  • S
    S.B./Köln

    Ich wünschte ich könnte alle Menschen der Contergangeburtsjahrgänge 1958-1962, die wie ich nur zufällig unbeschadet geborne, also keine Opfer der Profitgier der Fa. Grünenthal wurden, aktivieren, die berechtigten Forderungen der Conterganopfer zu unterstützen.

    Versuchen Sie sich alle einmal vorzustellen, wie z.B. ein Leben ohne Arme und/oder ohne Beine aussieht - nur zum Regelsatz der Regelkrankenversicherung im Regelumfang unterstützt.

    Wie wird es, wenn die unentgeltlichen Helfer, nämlich Eltern, Geschwister, Verwandte, nicht mehr zur Verfügung stehen? Ich finde die gesamte Bevölkerung ist gefordert, die Fortführung des an den Conterganopfern begangenen Unrechts zu beenden.

    Es darf keinen neuen Conterganskandal geben!

    Bitte helfen Sie alle, öffentliches Interesse zur Unterstützung der Forderungen der Conterganopfer zu schaffen. Es kann nicht sein, dass unsere Regierung ohne mit der Wimper zu zucken 35-50 Milliarden Euro für die Sicherung einer durch Misswirtschaft in Schieflage geratenen Bank zusichert, aber tatenlos zusieht, wie Conterganopfer allein den Kampf David gegen Golliath führen sollen.

    Es sind unser aller Steuergelder, die für die Bank mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen werden und es sind auch unsere Steuergelder, die zur längst nicht ausreichenden Finanzierung der Conterganopfer fließen, weil unser Staat anscheinend zu wenig Interesse hat, die finanzielle Verantwortung an den Verursacher zu übergeben.

    Wir alle sollten versuchen Einfluss zu nehmen und wenigstens durch unsere Solidarität da zu helfen, wo die Hilfe wenigstens sinnvoll ist, nämlich bei den Conterganopfern!

  • IC
    Ivo Cerckel

    Der Vorteil wenn man nicht Deutsch ist, ist dass man nicht direkt die Personen, die jetzt der Firma Grünenthal leiten, angreift aber das man untersucht was die Manager des Unternehmens in den Jahren 1938 bis 1957 geleistet haben. Wie ist diese Droge, entwickelt in 1938 von Richardson-Merrill Co. in Cincinnati, Ohio, VS von A, weniger als zwanzig Jahre später in Aachen angekommen? Und warum hat Grünenthal achtzehn Monate gewartet zu reagieren auf die Warnung des Kongresses der Neurologen in Düsseldorf am 30. April - 1. Mai 1960, dass Contergan eine Teratogene war, das heisst, dass Contergan Monster schafft, bevor sie Contergan aus den europäischenMarkt nahmen am 27. November 1961?

  • MA
    Martina Alberts geb. Gerdes

    Grünenthal mauert, die Regierung legt die Hände in den Schoß - aber etliche Milliarden werden jetzt locker gemacht, um eine Bank "zu retten", die aus eigenem Verschulden in die ... gerutscht ist.

     

    Wenn die Regierung wenigstens hinter uns stehen und Grünenthal und seine Tochterfirmen auffordern würde, Gerechtigkeit walten zu lassen, könnte sich Fa. Grünenthal nicht auf dem Stiftungsgesetz ausruhen, das damals nur unter starken Repressalien und unter Druck auf unsere Eltern entstehen konnte. ("Entweder das - 25.000,- DM - oder gar nichts!" Dabei haben die OPs schon das 5fache gekostet und mussten selber bezahlt werden...)

     

    Die 50 Millionen Euro, die jetzt von Grünenthal erneut in den "Topf" gezahlt wurden, bedeuten für jeden Betroffenen die unglaubliche einmalige Summe von ca 1786 Euro.

    Wer soll davon die Hilfsmittel, die die Kassen eben NICHT mehr übernehmen, bezahlen?

     

    Frau Fusening scheint, was unsere bundesdeutsche Gesundheitsreform betrifft, nicht auf dem Laufenden zu sein - oder sie weiß einfach nicht, wie es ist, wenn man einen Rollstuhl braucht und ihn nicht bekommt. Woher auch, denn Gedanken darüber braucht sie sich ja keine zu machen.

     

    Würden Sie kurz einmal tauschen, Frau Fusening/ Herr Wirtz? Sie leben einen Monat mein Leben?

    Vielleicht bekommen sie dann eine etwas klarere Vorstellung davon, wie schwierig es teilweise ist. Falls Sie es überhaupt so lange schaffen.

     

    Die Herren Banker bekommen den goldenen Handschlag, wie jeder Firmenchef auch, selbst wenn mißgewirtschaftet wurde, Opfer von Autounfällen oder anderen "Katastrophen" bekommen eine Entschädigung, uns aber, die wir bewußt als nichts anderes als Versuchskaninchen mißbraucht wurden (besser unsere Eltern mit uns als Resultat), wird "trocken Brot und Wasser" vor die Füße oder Räder geworfen, wir dürfen uns durchs Leben beissen, als ob es eine zu harte Karotte wäre.

     

    Wenn Sie unser Handeln und das der ICTA (Internationale Contergan-Thalidomide Allianz) als aggressiv bezeichnen, frage ich mich, wie man sonst seinen Anspruch anmelden könnte. Lieb betteln, wie die letzten 30 Jahre? Mit demselben Ergebnis - nämlich nichts?

     

    Die ICTA spricht für die meisten von uns. Der Ansprechpartner, den Grünenthal sich auserkoren hat, verhält sich so, wie die Firma es erwartet: Lieb, brav, ein bißchen doof und ganz leicht zu führen.

     

    Nicht mit mir und nicht mit uns, der Mehrzahl der Überlebenden der Arzneimittelkatastrophe.