Containerhafen: Zwischen Walsrode und Washington

KiIometerlange LKW-Staus, Zeitverluste und höhere Kosten: Hafenwirtschaft und Reeder befürchten Chaos auf den Kais, wenn Container für die USA aus Angst vor Terroristen bald geröntgt werden müssen. Die letzte Hoffnung ruht auf Barack Obama.

Sprengstoff oder Mehl: Eine Zollbeamtin verfolgt die Durchleuchtung eines Lastwagens in der Containerprüfanlage des Hamburger Zolls. Bild: DPA

Hinter vorgehaltener Hand fallen Begriffe wie "Weltfremdheit" oder gar "Sicherheitshysterie". Offen aber würde niemand in Norddeutschland, der mit dem Containerhandel in die USA befasst ist, sich so zitieren lassen. Bei einer Durchleuchtung sämtlicher Container befürchtet der Verband Deutscher Reeder (VDR) allerdings "gravierende Störungen des Handels und der Verkehrsabläufe in den Häfen", der Sprecher des Bremer Häfensenators Ralf Nagel (SPD), Holger Bruns, spricht gar von "einem gigantischen Hemmnis für den Welthandel".

Der Grund für diese Besorgnis ist das US-Gesetz zur 100-prozentigen Durchleuchtung. Ab 2012 wollen die USA keinen Container mehr ins Land lassen, der nicht vor der Abfahrt im Ausfuhrhafen geröntgt und dessen Inhalt für unbedenklich erklärt wurde. "Das ist so nicht praktikabel", sagt VDR-Sprecher Dirk Max Johns: "Alles würde länger dauern und teurer werden, die Sicherheit aber wäre nicht wesentlich höher."

LKW-Staus von den Terminals in Hamburg und Bremen "bis zurück zum Walsroder Dreieck" befürchten manche deshalb: "Die verstopfen die Autobahn in der Lüneburger Heide, der Frachter aber muss pünktlich los - halb leer". Denn das Röntgen aller Stahlboxen in den Häfen wäre eine echte Herausforderung, weiß der Zoll. "Machbar ist alles", sagt Arne Petrick, Sprecher der Bundesfinanzdirektion Nord und damit des Zolls in Hamburg. "Wir brauchen nur viel Platz, viele neue große Anlagen, viele neue Mitarbeiter und jemanden, der das alles bezahlt." Allerdings seien das "noch offene Fragen".

Kleinere Container-Prüfanlagen (CPA) in einer Größenordnung von fast 3.000 Quadratmetern gibt es bereits in den Häfen Hamburg und Bremerhaven. Sie dienen vordringlich dem Aufspüren von Schmuggelwaren und schaffen täglich bis zu 250 Container (siehe Kasten). Um einen mittleren Frachter mit einer Kapazität von 5.000 Boxen zu beladen, wären 20 solcher Anlagen erforderlich - oder eine gigantische.

Und die amerikanischen Freunde suchen bereits eifrig mit. Je fünf US-Beamte vom Zoll oder FBI kontrollieren in den CPAs Hamburg und Bremerhaven mit Argusaugen Container, die für ihr Land bestimmt sind. Diskret und von der Öffentlichkeit nahezu perfekt abgeschirmt durchsuchen sie die Ladepapiere aller Schiffe Richtung USA nach Hinweisen auf Verdächtiges: Sprengstoff, Bomben, radioaktives Material oder andere Gegenstände, die für Terroranschläge in die USA geschmuggelt werden könnten.

Über Erfolge wurde bislang nichts bekannt, was die US-Behörden aber nur anspornt, noch genauer zu suchen. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist in den Häfen der Welt nichts mehr so, wie es früher einmal war. Der international vereinbarte ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) enthält verschärfte Sicherheitsvorschriften für Häfen, Frachten und Schiffe. Seitdem kommt in große Häfen so gut wie keine Ladung mehr an, von der die offiziellen Stellen nicht wissen, wer sie bringt und was er bringt.

Einige Schwachstellen aber gibt es dennoch. Denn auf den jetzt in den CPAs gefertigten Röntgenbildern aus dem Inneren einer Blechkiste könnten selbst Fachleute Mehl nicht von Sprengpulver unterscheiden. Deshalb heißt es beim Zoll, nichts könne einen aus jahrelanger Tätigkeit geschulten Blick ersetzen. Eine Erkenntnis, die auch den Wert neuer und größerer Prüfanlagen relativiert: Bis das Personal routiniert genug ist, vergehen Jahre.

Für Bremens Häfenressort ist das Ansinnen aus Washington ohnehin keine gute Idee. "Wir lehnen das Gesetz ab", stellt Behördensprecher Bruns klar. Immerhin ist Bremerhaven mit fast 1.800 Containern am Tag der größte deutsche Exporthafen für die USA, in Hamburg sind es kaum 1.000. "Wenn wir alle rund 600.000 Container im Jahr scannen müssten, würde es zu erheblichen Verzögerungen kommen", sagt Bruns. Und teuer wäre es auch noch.

Als Alternative käme eine Überwachung jedes einzelnen Containers per Satellit in Frage. Wann dieses "SeCureSystem", das die Bremer EADS-Tochter Astrium entwickele, einsatzbereit sein könne, ist allerdings noch offen. Die US-Behörden hätten aber signalisiert, auch einer solchen Lösung gegenüber aufgeschlossen zu sein.

Johns vom Deutschen Reederverband setzt derweil auf den nächsten US-Präsidenten Barack Obama. Es bestehe Anlass zu der Hoffnung, "dass die künftige Administration die Sicherheitsfragen im Containerverkehr auf ein realistisches Maß reduziert".

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