Containerdorf: Fabulous Plänterwald

Ein Berliner Investor baut Studentenwohnungen aus Frachtcontainern. Im März ziehen die ersten BewohnerInnen ein.

Fabulöse Rostlaube im Grünen Bild: dpa

Vor den Containern blinken Leuchtröhren ein Schild an, das an eine Werbetafel für ein amerikanisches Diner erinnert: „Welcome to fabulous Plänterwald“. In Anlehnung an das Willkommensschild auf dem Las Vegas Boulevard lädt das Berliner Schild ins Studentendorf Eba51 ein, in die Eichbuschallee 51 im Bezirk Treptow-Köpenick. Hier soll aus Containern, wie man sie sonst für den Schiffsfrachtverkehr nimmt, ein kleines Dorf entstehen. Mit allem, was Studenten so gefallen könnte: Schwimmteich und Waschküche, in der auch Partys gefeiert werden sollen. Eine Boule-Bahn, Kletterwand und Holzkisten zum „Urban Gardening“, also zum Züchten von urbanen Spielereien wie Erdbeerspinat und Bananen-Minze, gibt es auch.

Schaut man sich die Baustelle an, wirkt das blinkende Schild geradezu zynisch. 11.000 Quadratmeter Bausand und Schlamm ziehen sich zwischen Plattenbauten und Bahnschienen, unweit der Köpenicker Landstraße. Zwölf Container sind viergeschossig zu einer Art Würfel aufeinandergestapelt. Jeder Container ist zwölf Meter lang, 2,50 Meter breit und 1,90 Meter hoch. Nachträglich wurden Fenster und Türen eingebaut, die Wände sind mit Rigipsplatten isoliert, Stahlträger dienen als Verstärkung. Zum 1. März können neun Studenten diesen ersten Containerwürfel beziehen – bis zum kommenden Wintersemester soll es insgesamt 398 Plätze in 311 Containern geben. 26 Quadratmeter für 389 Euro.

Die Idee für das Containerdorf hatte der Berliner Investor Jörg Duske. Im Fernsehen sah er, wie in Amsterdam Frachtcontainer zu Wohnungen umfunktioniert wurden. Auch in der niederländischen Hauptstadt sind günstige Wohnungen knapp. Wenn Duske über sein Projekt spricht, dann redet er von „Come-Together-Bereichen“ und vom „Leben auf dem Gang“. Drei Container-Wohnblöcke sollen jeweils mit einem Laubengang verbunden werden, junge Menschen sollen sich dort begegnen.

Antonia Hammermann wird eine von ihnen sein. Die 20-Jährige fängt zum Sommersemester ihr Betriebswirtschaftsstudium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft an. Die Miete für die Containerbleibe findet sie angemessen. Sie geht vorbei an einem großen Schrank, an Toilette und Dusche, an einer Herdplatte und einem Tisch: die Möbel reihen sich wie in einer Röhre bis zu ihrem Bett aneinander. „Zuerst hatte ich Angst, das Zimmer könnte zu schlauchförmig sein“, sagt Antonia. Sie sieht auf das Blau ihrer Wand, sie sieht das Design zum ersten Mal. „Aber jetzt finde ich es doch ganz cool.“ Die Abiturientin hat einen 400-Euro-Nebenjob, muss aber nicht die ganze Miete alleine zahlen. „Zum Glück“, sagt sie. „Meine Eltern unterstützen mich finanziell. Die waren froh, dass ich so schnell etwas gefunden habe.“

Antonia hat gar nicht erst in den beliebten Kiezen gesucht, sondern sich gleich für den Container im Plänterwald beworben. Nach dem Abitur ist sie aus Bayern zunächst zu ihrer Schwester nach Friedrichshain gezogen. Hier hat sie mitbekommen, dass die Mieten steigen, sich auf einen Platz in einer Wohngemeinschaft locker zwanzig Studenten bewerben. Erstsemester wie Antonia haben es da besonders schwer – junge Abiturienten, gerade weg von Muttis Rockzipfel, sind in Berliner WGs beim Casting mit die letzte Wahl.

Auch für ausländische Studierende ist das Containerdorf aus ähnlichen Gründen attraktiv, vier der neun ersten Bewohner sind Erasmus-Studenten. Die haben nämlich oftmals den Nachteil, nicht vorab vor Ort auf dem Wohnungsmarkt suchen zu können. Und die Wartelisten des Berliner Studentenwerks um einen Wohnheimplatz sind lang. Für Eba51 gingen auf die knapp 400 Plätze dagegen bislang lediglich 308 Bewerbungen ein.

Dass Antonia nun knapp 20 Minuten etwa bis zum Alexanderplatz und in die Szenekieze fahren muss, stört sie nicht. Auch nicht, dass das Dorf noch recht einsam dasteht. „Das wird noch, kommt ja alles“, sagt sie zuversichtlich. Antonia sieht es schon vor sich: „Chillige Abende, ein Tür-an-Tür mit Freunden.“ Warum sie sich nicht für ein billigeres Tür-an-Tür im Studentenwohnheim beworben hat? „Die Zimmer sind ja nicht so schön“, sagt sie und schaut sich zufrieden ihre Fototapete im Grunge-Stil an.

Wenn Investor Duske über die Stufen aus Gitterrost auf die Betonebene vor den Containern steigt, dann ist das für ihn das „Goodlive-Gefühl“. „Ich glaube, ich habe einen Nerv getroffen“, sagt der 51-Jährige. „Ich weiß, wie junge Menschen ticken, kenne ihren Livestyle.“ Natürlich weiß Duske auch, dass der Plänterwald für Studierende abseits vom Schuss ist. „Wir würden uns wünschen, näher in der Stadt zu sein. Aber da sind die Grundstücke und Immobilien eben noch teurer“, erklärt er. Die Miete für eines der schlauchförmigen Zimmer sieht er als guten Preis an. „Man muss auch sehen, was man hier geboten bekommt: Eigenes Bad, eigene Küchenzeile, High-Speed-Internet, Müllabfuhr und eine Edelstahlgemeinschaftsküche.“ Ein guter Slogan für die Containerenklave im Wald ist ihm auch schon eingefallen: „Das rostigste Studentendorf der Welt.“

Der Rost ist ein einfacher Schutz gegen Witterungen, teure Farbe wird gespart. Vor allem aber dürfte der braune Schick ganz auf der angesagten Recycle-Welle reiten, die derzeit durch Berlin schwappt – bis nach fabulous Plänterwald.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.