Computerspiele-Trends: Großes Publikum für alle
Erfolgsverwöhnte Spielekonzerne kämpfen mit Umsatzeinbußen – so müssen beim Riesen EA 1500 Mitarbeiter gehen. Dabei brummt das Geschäft woanders: Bei den Indie-Spielefirmen.
Die Wirtschaftskrise trifft inzwischen auch den einstigen Boom-Bereich der Videospiele. EA, einer der größten Spielekonzerne der Welt, musste zuletzt verringerten Umsatz und gesteigerten Verlust vermeldet. Schlimmer noch: 1500 Mitarbeiter werden nach Hause geschickt, nachdem der Games-Riese bereits 2008 mehr als 1000 Stellen gestrichen hatte. Von der jüngsten Kündigungswelle sind allein 900 Spieleentwickler betroffen, die Führungsebene ist nur mit 100 dran.
Eventuell ist aber nicht nur die Rezession schuld am schleichenden Niedergang der Games-Giganten - sie leiden auch an ihrer Größe, die sie inflexibel macht. Marktbeobachter weisen in letzter Zeit vermehrt darauf hin, dass sich besonders bei den unabhängigen Entwicklern viel tut – sei es notgedrungen, weil langjährige Programmierer von den Konzernen entlassen wurden oder weil es einfach schöner ist, mit einem kleineren Team Spieleinnovationen zu schaffen.
Tatsächlich war es nie leichter als heute, mit Games ein großes Publikum zu erreichen. Besonders die Veränderungen beim Vertrieb kommen kleineren Spielefirmen zugute. Niemand benötigt heute mehr einen Publisher, der dafür sorgt, dass ein Titel physikalisch in die Läden kommt, um einen Erfolg zu landen. Die Spieler sind Downloads gewöhnt und finden sie bequem.
Alle großen Plattformen, sei es nun PC, Xbox 360, Wii oder Playstation 3, bieten inzwischen das Herunterladen von Spielen aus dem Netz an und haben mehr oder weniger fortschrittliche Software-Shops integriert. Die Titel werden dann einfach auf der eingebauten Festplatte oder einem Speicherstick abgelegt und können sofort abgerufen werden – zum Plastikscheiben-Diskjockey muss niemand mehr werden. Bezahlsysteme sind über im Handel erhältliche Cashcards oder die schlichte Eingabe der Kreditkartendaten realisiert. Die Preise liegen bei Nur-Download-Titeln zudem meist unter 20 Euro und ermutigen damit zum Impulsklick.
Die angebotenen Spiele der Indies sind meist weniger aufwändig produziert als die Titel der Marktgrößen – schon vom Budget her geht das nicht anders. Doch genau hier ergibt sich die Möglichkeit für viel Kreativität: Neuartige Jump & Runs treffen auf ausgefeilte Abenteuer und auch mit neuen Formaten wird experimentiert. So feiert die in den Neunzigerjahren bekannt gewordene Adventure-Serie "Sam & Max" dank Xbox-Software-Shop ihre Auferstehung und wird in Episodenform verkauft – Weihnachtsspecial inklusive.
Das Arcade-Spiel "Braid" bewies, das das einst von "Supermario" & Co. beherrschte Genre noch nicht eingeschlafen ist. Spielfigur Tim, ein kleiner Kobold, hat unter anderem die Fähigkeit, die Zeit zurückzudrehen. Der Titel mit schöner Optik und atmosphärischer Musik verkaufte sich in der ersten Woche 55.000 Mal. "World of Goo", ein anderer Indie-Hit, der von Spiele-Experimentalisten geschrieben wurde und sich besser spielt als erklären lässt, setzte auf besonders große Verbreitung: Neben Windows, Linux und Mac ist das Spiel auf auf Wii und demnächst dem iPhone zu haben.
Auf letzterer Plattform tut sich, übrigens insgesheim auch zur Überraschung Apples, besonders viel: 100.000 einzelne Programme sind im Download-Laden "App Store" für das Telefon inzwischen auf Fingerstrich zu Preisen ab 79 Cent zu haben, die meisten davon Games. Hier gab es in den letzten Monaten auch die aufregendsten Erfolgsgeschichten auf Seiten der Indies – der ein oder andere Entwickler schaffte es mit einer guten Idee zum Millionenumsatz. Da die Konkurrenz jedoch täglich wächst und sich stetig professionalisiert, ist zu vermuten, dass solche Megahits kleiner Teams immer seltener werden.
Hilfreich für die Indies ist auch, dass die Plattformbetreiber ihre Systeme inzwischen auch für kleine Entwickler öffnen. Wurde früher nur den ganz Großen gegen Lizenzgebühr verraten, wie man ein Gerät programmiert, blecht man beispielsweise beim iPhone nur 100 Dollar, um Zugriff auf die Entwicklerschnittstelle zu erhalten. Da braucht es dann nur noch eine gute Idee und eine vernünftige Marketingstrategie, um einen Hit zu landen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
+++ AfD-Parteitag in Riesa +++
15.000 blockieren AfD, Polizei schlägt Abgeordneten
Krieg in der Ukraine
Die Stimmung ist gekippt
Feier zur Befreiung von Auschwitz
Netanjahu wird in Polen nicht verhaftet werden
Elon Musks politischer Feldzug
Der Besessene
Öffentlich-Rechtliche im Wahlkampf
Habeck ruft zum Voting auf
ZSK-Sänger Joshi über Anti-AfD-Proteste
„Meine Band wäre vermutlich im Gefängnis“