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Community fühlt sich übergangenWikipedia-Gründer löscht strittige Bilder

Nach der Löschung angeblich pornographischer Bilder aus der Mediendatenbank Wikimedia Commons werden Vorwürfe laut, Jimmy Wales habe die Prinzipien des Projektes verraten.

Kinderpornographie oder nicht? Sogenannte Lolicons sind Zeichnungen von Kinder in erotischen Posen und waren auch ein Auslöser der Diskussion. Bild: screenshot/wikimedia commons

BERLIN taz | Die Wiki-Community ist sauer. Der Gründer der Online-Enzyklopädie Wikipedia Jimmy Wales hat auf eigene Faust fragwürdige Bilder aus der Mediendatenbank Wikimedia Commons gelöscht – und so das Gemeinschaftsprinzip des Projekt verletzt.

Urspünglicher Auslöser der Diskussion war Larry Sanger, einer der damaligen Mitgründer Wikipedias. Wie heise.de berichtet, wandte er sich Anfang April an das FBI mit der Behauptung, Wikimedia würde möglicherweise wissentlich Kinderpornographie verbreiten. Die Wikimedia-Foundation wies diese Behauptung zurück.

Sanger bezog sich hierbei auf Bilder zu historischen erotischen Bildern sowie sogenannte Lolicon-Bilder, bei denen es sich um japanische Zeichnungen handelt, auf denen Kinder in erotischen Posen gezeigt werden. Das FBI reagierte allerdings nicht auf diese Behauptungen.

Erst nachdem der amerikanische TV-Sender Fox News über die Angelegenheit berichtete, wurde Wales tätig und löschte zusammen mit weiteren Administratoren rund 400 Bilder aus dem Online-Angebot. In einer Mitteilung in der Mailingliste der Wikimedia-Foundation versuchte Wales die Löschung der Bilder zu rechtfertigen: „Wir waren kurz davor, in allen Medien als Anbieter von harter Pornographie beschuldigt zu werden und nichts dagegen zu unternehmen.“ Außerdem sagte er, es tue ihm Leid, dass er – um dieses falsche Image zu stoppen – auf ein paar Zehen treten musste.

Michael Snow, Vorsitzender der Foundation, unterstützte Wales in seiner Stellungnahme über angebrachten pädagogische Inhalte bei Wikimedia: „Wir werden Material sofort löschen, das unter US-Gesetzen illegal ist, aber wir löschen keine Inhalte nur aus dem Grund, dass sie manche verärgern“, äußert er sich in der Mailingliste. Wikimedia habe einen pädagogischen Charakter und für Inhalte, die weder einen erziehenden noch informativen Wert haben, sei kein Platz in dem Projekt.

Doch die Wikimedia-Anhänger waren mehr als nur etwas verärgert. In einer Petition erklärten sie, Wales habe sein Handeln nicht mit der Wikimedia-Community abgestimmt und somit gegen die Grundsätze des Projekts verstoßen und seine Rechte missbraucht. Fast 300 der freiwilligen Mitarbeiter der Community unterschrieben den Antrag, in dem sie forderten, die Prinzipien der Community zu achten. In einer weiteren Petition forderten über 380 Mitglieder sogar den Entzug der Privilegien, die Jimmy Wales genießt. Mit Erfolg. Am Sonntag gab Jimmy Wales einige seiner Gründerrechte ab, unter anderem das Recht, Inhalte zu löschen oder zu verbergen.

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9 Kommentare

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  • SV
    so vielen Beispielen nichts gelernt

    Wikipedia ist ein Produkt aus den VSA. Damit bestimmen die Amis die Spielregeln. Wer dazu beiträgt, und sich nun beklagt, hat das eigentliche Problem noch nicht erkannt.

     

    Die Amis bestimmen auch die Spielregeln für ACTA. Und für den Verrat unserer Bankdaten. Und Passagierdaten. Und Fingerabdrücke in unseren Ausweisen. Und einseitgen Änderungen bilateraler Einreisebestimmungen. Und das Abhören unserer Kommunikation. Und Galileo. Und die Besetzung unseres Landes. Usw.

  • R
    realpirate

    Die einen finden gut das geloescht wird, die anderen wollen den loesch komentar loeschen...

    @Hannes : wie schoen, das nicht genehme info gleich wieder weg soll - wo ist bitte der unterschied zwischen dir und Jimmy wales ???

    kinderporografischer content ist verabscheuungswuerdig, egal ob gezeichnet oder nicht. Ich lasse mir Lolicons oder wie die dinger auch immer heissen moegen auch nicht als " kultur Japans" verkaufen.

    Wiki wirds ueberleben.

  • R
    Rod

    Wenn Wikipedia solche Bilder löscht, wer entfernt dann die Plakate der Werbeindustrie von den Plakatwänden der Städte und wer entfernt die Fernsehwerbung, in welcher auf "teen" getrimmte Fotomodells als "sexy" dargestellt werden.

     

    Wer tritt dem allgegenwärtigen Jugendwahn aktiv gegenüber? Ich sehe die Kinderpronographie als Folge dieses Jugendwahns.

  • T
    Tomcat

    Eine Sache, die an dieser Pornographie-Debatte nachdenklich stimmt, ist dass es ein Verbot hinausläuft, bestimmte Bilder nicht nur zu verbreiten, sondern zu sehen. Ich sehe durchaus, dass die Verbreitung von Bildern unter Umständen die Rechte von Personen verletzen können, die darauf dargestellt sind.

     

    Aber ein Verbot, bestimmte Materialien anzuschauen, gibt es bisher eigentlich nur in totalitären Systemen.

  • S
    S.Dient

    US-neo-cons ham fressen gefunden.

    Die haben ihre eigenen Wikis und haben us-weit gleichmal gegen -pedia und media -losgehetzt mit was man halt gleichsetzen kann.

    Wie auch immer, W-pedia hat ein paar Nutzer weniger und dafür mehr creationisten.

  • H
    Hannes

    Kann jemand bitte Inges Kommentar Löschen, so ein Mist muß do hier wirklich nicht drin stehen!

  • S
    Sabine

    Freiheit will immer wieder neu erkämpft und neu gestaltet sein.

  • MS
    Marcus Staiger

    Wir werden Material sofort löschen, das unter US-Gesetzen illegal ist, aber wir löschen keine Inhalte nur aus dem Grund, dass sie manche verärgern“, äußert er sich in der Mailingliste.

    ///

     

    Korrektur:

    Lolicons gibt es nicht. Das ist höchstens das Plural für Lolicon ~ bezogen auf diejenigen die Lolicon mögen. Wobei Lolicon auch gleichzeitig für das Material stehen kann und die Figuren als Lolis oder Loli bezeichnet werden.

     

    Und die Aktion des wikipedia-Gründers war völlig absurd.

    Aber wikipedia ist sowieso als einst ambitioniertes Projekt gescheitert.

  • I
    Inge

    Finde ich echt gut, dass so ein Mist gelöscht wird.