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Comic ist Ware, Comic ist billig

■ Die Hamburger Initiative Comic Kunst e.V. hat einen Comic-Supermarkt eröffnet

Comic ist keine Kunst, sondern Ware, zu kaufen im Supermarkt der INC (Initiative Comic Kunst e.V.): Unter dem Motto Ehrlich billig machen 150 Comiczeichner auf 700 Quadratmetern im Sprinkenhof ein Angebot. Sie stellen ihre Produkte nicht nur rahmenlos aus – ein Teil der gezeigten Seiten kann der Besucher für 15 Pfennig pro Kopie zu einem Katalog zusammenstellen, nach Hause mitnehmen und dort in Ruhe genießen. Dazu dudelt die Kaufhausmusik, die Kasse klingelt, das Ambiente hat den Charme des Aldi-Marktes um die Ecke.

Comic ist Ware, keine Kunst – dieser Ansatz markiert einen Umbruch in der Comicszene, deren Zeichner die INC für temporäre Projekte zu einem Kollektiv zusammenschließt. Die zwei vorherigen, viel beachteten Ausstellungen der INC im Cesars Palace an der Reeperbahn – Am Anfang war der Strich (1992) und Comopoly (1993) – versuchten, Comics über den Anspruch zu legitimieren, er sei der Rock 'n' Roll der Kunst, aber damit eben auch Kunst. Der Kunstbegriff mit seiner Trennung in wertvoll und trivial wurde dafür letztlich aus dem 19. Jahrhundert entliehen. Darum nützte das Bemühen um Anerkennung weder den Zeichnern, angemessen für ihre Arbeit bezahlt zu werden, noch der Veränderung des gesellschaftlichen Umgangs mit dem obskuren Medium Comic, das in den beiden Ausstellungen hinter der wunderbaren Präsentation verschwand. Schlimmer noch: Comic wurde zu einem einheitlichen (nämlich ästhetisch anspruchsvollen) Medium, das durch sich selbst schon gut (politisch, subversiv, etc.) sein sollte – und es damit gerade nicht war.

Bei Ehrlich billig wird nun die Vielfalt der einzelnen Zeichner zum Konzept. Comic stellt sich hier nicht als Kunst, sondern als Praxis dar, die um ihre Relevanz, nicht um ihre Anerkennung kämpfen muß. Eine Praxis, die nicht allein eine Medialität – wie das Comic-Album – kennen darf. Im Gegenteil: Gerade als billiges, leicht reproduzierbares, massenhaft zu genießendes kann Comic Trash, Pop und subversiv werden. Der ironische Supermarkt der INC artikuliert so Probleme, die der Comicszene und dem größeren Publikum noch unbekannt sind. Comic ist Ware: Welche anderen Comicmedien auf Wirkungen hoffen lassen, bleibt offen.

Fest steht der veränderte Ansatz der INC nach dem Abriß des Cesars Palace. Zwar werden Originale immer noch gezeigt, der Spaß ist aber, die Kopien in den Einkaufskorb zu legen. Statt kontemplative Kunstbetrachtung können die Besucher nun nach Herzenslust die billige Ware konsumieren. Schien bisher die einzelne Zeichner-Persönlichkeit die Bedeutung des Comics zu begründen, wird nun eine Szene in einer Heterogenität sichtbar, die keine Begründung braucht. Sie ist einfach da, sie ist spannend und verkauft sich Ehrlich billig.

Ole Frahm

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