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Comedy Boom

■ Von Christus–Geschichte bis zur „größten Geschichte aller Zeiten“: Komödien–Boom in Großbritannien

Edinburgh (taz) - Drei nackte Männer zeigen einen Tanz mit sechs aufgeblasenen Luftballons, als ihre persönliche Hommage ans Kondom; zwei sehr konventionell mit Anzug und Schlips aufgemachte Provinzler spielen die komplette Christusgeschichte in etwa 90 Minuten; ein Mann und eine Frau zeigen eine improvisierte Version der Ollie–North–Verhöre vor dem Irangate– Untersuchungsausschuß: nur ein winziger Teil des Comedy Booms, der hier seit einigen Jahren tobt. Am britischsten dürfte einem deutschen Publikum wohl das „National Theatre of Brent“ erscheinen, ein Zwei–Mann–Unternehmen aus einer Stadtrandgemeinde von London. Wichtigtuerei, mit wahnwitziger Übertreibung ins Selbstironische gekippt, gehört zum Image der beiden Herren. Das Bühnenbild ihrer „Greatest Story Ever Told“ sieht aus wie eine Parodie auf den Ausstellungswahn vieler zeitgenössischer Bühnen. Die Musik ist bombastisch, das Licht kitschig - nur die zwei Schauspieler sind überaus ernsthaft und bedeutungsvoll. Komplementär zum bombastischen Getue liefern sich die beiden, die sämtliche Rollen chargieren, unzählige persönliche Kämpfe über den Fortgang des Bühnengeschehens - zumal Wallace meist nicht ganz folgen kann. Wenn Humor bedeutet, schamlos über sich selbst lachen zu können, dann sind diese beiden Witzbolde Humor vom allerbesten . „The Greatest Show on Legs“, die Herren mit den Kondomen, sind hier wegen ihres chaotischen Benehmens sehr beliebt. Sie schießen Wasser, Babypuder und Bier ins Publikum , sie treten nackt auf und sind dabei die meiste Zeit ziemlich verkrampft. Alternative Komik, leider mehr alternativ als komisch. In der gleichen Kneipe, im „Comedy Boom“, treten die „Bootlicking Snarling Weasels“ aus San Francisco auf, eine der lässigsten, geistesgegenwärtigsten Komikergruppen, die ich gesehen habe. Dough Nunn ist der tapsige, bärenstarke, naive Kerl, der in den Sketches und Improvisationen gut für den Durchschnittsamerikaner ist, den Dosen– Bier–Freak, den Reagan–Wähler. Brian Lohmann hat einen urkomischen Auftritt als „Johnny Lonely“, der ewige Verlierer, der sich wegen einer ruinierten Beziehung in tragischem Tremolo fragt „How far down can you get“ - natürlich, um sich am Ende damit zu trösten, daß sie am härtesten getroffen wird, weil sie sieht, wie weit er herunterkommen konnte. Ray Hanna ist Klavierspieler, der ein „Stand–Up–Comedy“–Solo vorführt, eine Mischung aus Gags, Anekdoten und improvisierten Reaktionen aufs Publikum oder auf eigene Fehlleistungen. Tracy Burns ist die zuviel lächelnde, widerwärtig gutgelaunte Schönheit. kno

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