College-Football in den USA: Für Gott und Donald Trump
Die evangelikale Liberty University hat einst Donald Trumps Erfolg ermöglicht. Nach dessen Niederlage gewinnt immerhin das hauseigene Football-Team.
K eine Überraschung, nämlich weitgehend einheitlich war die Reaktion der Sportstars auf das Wahlergebnis in den USA. Basketballer LeBron James etwa postete ein Bild von sich mit Siegerzigarre und Weltfußballerin Megan Rapinoe dankte ausdrücklich schwarzen Wählerinnen.
Aber keine vier Stunden nachdem die US-Medien am Samstag Joe Biden zum Wahlsieger erklärt hatten, gelang dem Football-Team der größten christlich-fundamentalistischen Universität des Landes der größte Erfolg ihrer Geschichte. Die nach der Flamme der Freiheit benannten Flames der Liberty University, die sich als Ausbildungsstätte der ultrakonservativen Elite der USA einen Namen gemacht hat, schlugen mit einem Field Goal in allerletzter Sekunde die Virginia Tech Hokies, eine Mannschaft, die eine sehr viel längere und ruhmreichere Football-Vergangenheit besitzt. Nach dem historischen 38:35 wusste Cheftrainer Hugh Freeze, bei wem er sich zu bedanken hatte: „Gott war extrem gut zu uns.“
Tatsächlich kommt man auf dem Campus der Liberty University nicht an Gott vorbei. Die Privatuniversität in Lynchburg, Virginia, wurde erst 1971 gegründet, zieht seitdem aber strenggläubige Studentinnen und Studenten an, die oft aus evangelikalen Gemeinden stammen. Mit 15.000 junge Menschen, die in Lynchburg studieren, und weiteren 94.000, die das Onlineangebot nutzen, gilt Liberty als größte christliche Hochschule der Welt.
Das Geschäft läuft so gut, dass die Sporteinrichtungen in den vergangenen Jahren mit ungefähr einer Milliarde Dollar auf den neuesten Stand gebracht wurden. „Unser Campus ist einzigartig“, sagt Freeze, „einer der sichersten, unglaublichsten, großherzigsten Plätze, die ich kenne.“
Wer in Lynchburg Biologie belegt, muss den Kreationismus lernen, nachdem die Welt ungefähr 6.000 Jahre alt ist, vom lieben Gott in genau sechs Tagen erschaffen wurde, und auch sonst alles wörtlich zu nehmen ist, was in der Heiligen Schrift steht. Nicht nur Darwin ist an der Liberty nicht gut gelitten, auch ein gewöhnliches Studentenleben fällt aus, zumindest offiziell: Sexuelle Kontakte außerhalb der Ehe sind verboten.
Sexskandal in prüdem Umfeld
Daran halten sich allerdings nicht alle. Der langjährige Unipräsident Jerry Falwell Jr. musste nach Sexskandalen im Sommer seinen Hut nehmen – unter anderem hatte er ein Foto von sich selbst mit offenem Hosenstall auf Instagram gepostet. Falwell gilt als zentrale Figur der evangelikalen Rechten und sein Entschluss, sich 2016 hinter den damaligen Außenseiter Donald Trump zu stellen, als entscheidend dafür, dass Donald Trump Präsident wurde. Trump hatte sich dann nur vier Monate nach Amtsantritt bei einer Rede auf dem Campus feiern lassen.
Das Ende von Trump ist auch eine Niederlage für die Evangelikalen, über die sie vermutlich auch die Siegesserie der Liberty Flames nicht hinwegtrösten wird. Auch im siebten Spiel dieser Saison blieb die Mannschaft ungeschlagen und wird nun erstmals in ihrer Geschichte in den beiden wichtigen College-Football-Ranglisten unter den Top 25 geführt. Die Erfolgsgeschichte ist eng mit Trainer Freeze verbunden.
Der ist nicht nur ein strenggläubiger Christ, sondern gilt auch als Offensiv-Genie, das es allerdings nicht immer so genau mit den Regeln nimmt. Sein vorheriger Arbeitgeber, die University of Mississippi, wurde vom College-Sportverband NCAA sanktioniert, weil Freeze bei der Rekrutierung von Spielern gegen Vorschriften verstoßen hatte. Es war verbotenerweise Geld geflossen und bei akademischen Prüfungen wurde geschummelt. Die Universität feuerte Freeze aber erst, als auch noch herauskam, dass er regelmäßig von seinem Diensttelefon einen Escort-Service angerufen hatte.
Nach einer Schamfrist von drei Jahren bekam er den Job in Lynchburg. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe dafür bezahlt“, sagte der gottesfürchtige Freeze unlängst. „Nun wäre es großartig, wenn die Leute mal drüber wegkommen würden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene