Colin Kaepernick einigt sich mit der NFL: Aus dem Knie gekommen
Footballprofi Colin Kaepernick schließt einen Vergleich. Bei der Frage, ob sich die NFL so sein Schweigen erkauft hat, gehen die Meinungen auseinander.
Da hatte also Kaepernick am Ende doch nachgegeben und ein Schweigegeld angenommen. Zentraler Punkt der Abmachung zwischen der NFL und Kaepernick, der gegen das faktische Berufsverbot der Liga gegen ihn geklagt hatte, nachdem kein Team ihm mehr einen Job geben wollte, war beiderseitiges Stillschweigen über den Gegenstand der Klage und die Hintergründe der Einigung.
Man hätte es als große Niederlage für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung werten können, die mit Kaepernick tief in den Sport eingedrungen war. Die Reaktionen waren jedoch ganz andere. So sagte LeBron James, der selbst ernannte größte Basketballspieler aller Zeiten, auf einer Pressekonferenz, dass er sich über „Kaeps großen Sieg“ freue und hoffe, dass er „einen Haufen Geld“ eingesteckt habe.
Das Fachmagazin Sports Illustrated schrieb: „Kaepernick hat gewonnen. Punkt.“ Die New York Times schlug in eine ähnliche Kerbe und prognostiziert: „Es mag sein, dass der Quarterback Kaepernick der Geschichte angehört. Seine Zukunft als Vorkämpfer für die Menschenrechte hat jedoch gerade erst begonnen.“
Kaepernick warf Team-Eignern Absprache vor
Die Tatsache, dass die NFL Kaepernick einen Vergleich angeboten hatte, dessen Höhe auf 80 bis 100 Millionen Dollar geschätzt wird, wurde von der Mehrheit der Beobachter nicht als Ausverkauf durch Kaepernick, sondern als Einknicken der NFL gewertet. „Der Vergleich“, schrieb der Sportkommentator der linken Wochenzeitschrift The Nation, Dave Zirin, „ist ein ziemlich untrügliches Zeichen dafür, dass Kaepernick etwas gegen die Liga in der Hand hatte.“
Kaepernick hatte in der Saison 2016 begonnen, gegen Rassismus in den USA zu protestieren – mit der simplen Geste, während des Abspielens der Nationalhymne niederzuknien anstatt mit der Hand auf dem Herzen der Fahne zu salutieren. Das Beispiel machte Schule, immer mehr Spieler schlossen sich ihm an, der Protest schwappte in andere Sportarten und sogar auf andere Kontinente über.
Dave Zirin, „The Nation“
Nach der Saison beendete Kaepernick, einer der besten Quarterbacks der Liga, von sich aus sein Engagement bei den San Francisco 49ers. Seither findet er keine Anstellung mehr als Berufssportler, obwohl auf seiner Position in der NFL ein viel beklagter Mangel an hochkarätigen Spielern herrscht. Im Herbst 2017 legte Kaepernick deshalb eine Beschwerde ein und behauptete, es gebe eine Absprache zwischen den Team-Eignern, ihn nicht mehr zu beschäftigen. Die Klage stand nun kurz vor einer öffentlichen Anhörung.
Ein implizites Schuldeingeständnis
Kommentatoren wie Dave Zirin glauben, dass die Liga mit allen Mitteln zu verhindern suchte, es zu dieser Anhörung kommen zu lassen. Der Kaepernick-Fall hatte den Football zuletzt wieder während der Superbowl geplagt, als ein Musiker nach dem anderen sich weigerte, in der Halbzeit-Show aufzutreten, solange Kaepernick keinen Job in der Liga finde. Laut der New York Times gibt es Aufzeichnungen von Gesprächen unter den Team-Eignern, die sich nach der Kritik von Donald Trump an den antiamerikanischen Umtrieben im Football große Sorge um das Ansehen des Sports zeigten.
Was bleibt, ist die Frage, warum Kaepernick den Vergleich angenommen hat. Juristen glauben, dass es vor Gericht extrem schwierig gewesen wäre, eine Verschwörung zu beweisen. Im schlimmsten Fall hätte Kaepernick einen langen, kostspieligen Schauprozess vor sich gehabt, der seine Lage eher verschlechtert hätte. Er hätte verlieren können und damit seinen Status als Gesicht einer Bewegung beschädigt.
So hat Kaepernick den für ihn zu diesem Zeitpunkt günstigsten Ausgang gewählt: ein implizites Schuldeingeständnis der NFL und eine großzügige Entschädigung. Den Rassismus im US-Profisport und in der amerikanischen Gesellschaft hat er damit freilich nicht beseitigt. Aber er hat immerhin einer neuen Generation von Sportlern gezeigt, dass sie die Dinge nicht stillschweigend hinnehmen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen