■ Kommentar: Cola ohne Karies
Sparen ohne jemandem weh zu tun, wie Kultursenatorin Christina Weiss es sich für ihren Haushalt '94 erhofft hatte, das ist wie Cola ohne Karies: Eine reine Wunschvorstellung. Wenige Tage nach Verkündung dieser Politik des „Überall-ein-bißchen-weniger“ scheint das erste Desaster auch schon perfekt: Das Jugendtheater auf Kampnagel (JAK) steht kurz vor dem „Aus“. Sollte sich das von JAK-Chef Zielinski erhoffte „Wunder“ nicht einstellen, so verliert Hamburg dasjenige Theater, das es im Moment am nötigsten hat.
Keine Bühne der Stadt setzt sich derartig engagiert und künstlerisch hochklassig mit den gesellschaftlichen Umwälzungen der Zeit auseinander. Rechtsradikalismus, Umweltzerstörung oder Abbau von Feindbildern waren die Themen, die dort in überzeugenden Inszenierungen diskutiert wurden. Trotz erbärmlicher Bedingungen gewann das Theater damit ein Publikum, um das sich die Kulturpolitik sonst wenig schert: die Jugendlichen. Diese Bühne nun wegen 400.000 Mark kollabieren zu lassen, wäre im selben Maße verantwortungslos wie die Schließung von Jugendzentren im Deutschen Osten.
Man kann nicht einerseits über Jugendlichen-Extremismus lamentieren und andererseits die wenigen Anlaufpunkte ausradieren, wo man sich um deren Kritikfähigkeit bemüht. Hier sind andere Schnitte gefragt; hochsubventionierte Schnarchnasen-Kultur gibt es zur Genüge. Wenn Hamburger Kulturpolitik noch etwas mit politischem Mut und gestalterischem Willen zu tun haben soll, dann muß sie jetzt reagieren - prompt und unmißverständlich. Alles andere wäre unverzeihlich. T. Briegleb
Bericht Seite 19
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