piwik no script img

Clubkarten, reden, oder was?

■ Was tun, wenn AusländerInnen nicht in Discos dürfen? Dagmar Lill lud ein

Die betroffenen türkischen Jugendlichen sind gedemütigt und wütend, deutsche DiscogängerInnen befremdet, Türsteher rat- und Discobesitzer inzwischen ziemlich hilflos: Immer mehr Discos, zuletzt das Stubu, lassen Ausländer nur noch mit „Clubkarten“ herein und argumentieren dabei mit Drogenhandel und Schlägertrupps. Dagmar Lill, Leiterin der Ausländer-Zentralstelle, hatte deshalb am Dienstag abend alle Seiten ins 'Modernes' zu einer ersten Debatte eingeladen. Der besonders umstrittene Geschäftsführer des Stubu und auch der Vertreter des Gaststätten-Verbandes hatten den erst kurz zuvor angesetzten Termin allerdings abgesagt.

Die betroffenen türkischen Jugendlichen, die seit Jahren in Bremer Discos tanzen gehen und nun plötzlich ohne Clubkarte vor verschlossenen Türen stehen, waren hell empört und sprachen von „Rassismus“. Auch die Zentralstelle hatte in ihrer Einladung die Clubkarten-Vergabe mit „rassistischen Praktiken in Südafrika oder der nationalsozialistischen Vergangenheit“ verglichen.

Aber bevor man sich allzu schnell auf böse Abwesende einschwor, sprach Heiner Hellmann, Geschäftsführer von Modernes und Gala, ein klares Wort: „Clubkarten sind die falsche Methode, und wir werden das nicht machen. Aber ich verstehe das so langsam. Wenn Gäste andere belästigen, bedrohen, prügeln, oder wenn sie dealen, dann muß ich die rausschmeißen können. Handelt es sich um einen Türken, setzt sofort eine blinde Solidarisierung der ganzen Gruppe ein. Deshalb sind die so ein Problem.“ „Natürlich, die stehen ja auch seit der Kindheit unter permanentem Druck“, rief ein junger Türke, „wir müsen uns als Emigranten wehren!“

Viertelbürgermeister Heck, wie immer ohne Angst, sich unbeliebt zu machen, wandte sich vehement gegen einen 'blinden Ausländerbonus': „Wenn ein Ausländer prügelt, ist das nicht besser als bei einem Deutschen. Und das muß man sagen können, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden.“

Dagmar Lill wollte auf „Gespräche“ setzen, und auf Hilfestellung der Ausländer-Organisationen. Gerade dort sind aber die randalierenden Jugendlichen meist nicht organisiert, und „reden tun wir schon die ganze Zeit, das endet vor abgebrochenen Flaschenhälsen und Aschenbecher- Wurfgeschossen“ — dem Modernes-Geschäftsführer machte das allein wenig Hoffnung.

Gule Iletmis, Geschäftsführerin des 'Dachverbandes der Ausländer-Kulturvereine', wußte aus eigener Erfahrung: „Ich bin inzwischen gegen diese falsche Solidarität. Auch ein Ausländer, der Mist macht, muß rausfliegen können. Aber man muß mehr reden. Viele Türken denken: Deutsche Mädchen sind leichte Mädchen. Die verstehen die kulturellen Unterschiede falsch. Man muß vor allem informieren.“

Was tun? Dagmar Lill will mit dem Gaststättenverband und dem Stubu-Geschäftsführer wegen der Clubkarten-Praxis Gespräche führen. Die beiden Modernes/Gala-Geschäftsführer haben sich jetzt eine letzte Möglichkeit ausgedacht: Zum Thema 'Ausländer in der Gala — willkommen oder nicht?' laden sie auf zweisprachigen Flugblättern ihre Disco- Gäste zur Diskussion ein (26.9., 20 Uhr). Daß gerade in der 'Gala' in Bremen-Nord Ausländer Aggressions-Zielscheibe von arbeits-und hoffnungslosen deutschen Jugendlichen sind, ist dort offenes Geheimnis. Heiner Hellmann: „Wir können aber nicht alles ausbaden, was in der Gesellschaft läuft. Bei uns verläuft eine richtige Frontlinie.“

S.P.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen