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Club der Melancholiker

■ Wo sind die Rosenverkäufer? The very best of Elvis Costello in der Musikhalle

Starke Männer weinen, starke Frauen werfen Rosen. Wer seinem Publikum eine solche Reaktion prophezeit, macht sich entweder lächerlich oder legendär. Oder er heißt Elvis Costello. Der kennt seinen inzwischen ein wenig exklusiv gewordenen „Club der Melancholiker“ genau. Am Ende seines zweistündigen Konzertes mit dem früheren Attractions-Organisten Steve Nieve war indes klar: Nicht er braucht uns, wir brauchen ihn. Und das nach Jahren waghalsiger Umwege, in denen sich der Engländer wie kein zweiter an seinen eigenen Ansprüchen maß, sie verwarf und ständig neu definierte.

Seit seinem letztjährigen Treffen mit Burt Bacharach ist Costello endlich angekommen. Sein Zuhause: stilvolles Songwriter-Entertainment. Komödiantisch, aber nie albern, gestenreich, aber selten pathetisch kommentierte Costello dann auch die Rollen seines Lebens. Ein Very-best-of-Konzert, das zunächst wahllos einen Klassiker an den nächsten reihte und assoziativ immer wieder Fremdes mit einbezog. Da blinzelte eine alte Bacharach-Melodie hervor, dann wieder lud er mit Van Morrisons „Jackie Wilson Said“ das von soviel Impuls sichtlich verdatterte Publikum zum call and response.

Natürlich blieb Costello bei aller Selbstsicherheit auch diesmal der Vokalakrobat, jemand, der sich einerseits trotzig dem Diktat der Vollkommenheit entzieht, andererseits aber auch die akustischen Finessen einer Halle zu nutzen weiß, wo auch der unverstärkte Ton seinen Weg findet. Nach knapp einem Dutzend Zugaben kam er dann noch mal. Sichtlich gerührt, fast schon verlegen sang er ohne Mikro für und mit dem Publikum, für dessen weibliche Hälfte nur eine Frage offen blieb: Wo sind die Rosenverkäufer, wenn man sie wirklich mal braucht?

Michael Hess

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