Clinton wird Held des Haushalts

Zum erstenmal seit fast 30 Jahren erzielen die USA einen Haushaltsüberschuß. Boomende Wirtschaft und hohe Beschäftigung bringt Steuergelder in die Kasse  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Jetzt ist es amtlich: Die USA schreiben zum erstenmal seit 29 Jahren ihre Haushaltszahlen mit schwarzer Tinte. Das Haushaltsbüro des Weißen Hauses gab gestern bekannt, daß dieses Jahr die US-Bundesregierung 39 Milliarden US-Dollar mehr einnimmt, als sie ausgibt.

„Der Überschuß gerät außer Kontrolle“, japste der texanische Abgeordnete Bill Archer, denn ein Überschuß ist für die oppositionellen Republikaner der Beweis für viel zu hohe Besteuerung. Und der republikanische Vorsitzende des Kongreß-Haushaltsbüros, John Kasich, fügte hinzu: „Wir können es uns nicht leisten, irgend etwas von diesem hart erarbeiteten Überschuß für mehr Regierungsausgaben zu verschwenden.“

Schon bevor klar war, daß es in diesem Haushaltsjahr tatsächlich einen Überschuß geben würde, hatten Demokraten und Republikaner einen Streit um die Verwendung der Einnahmen begonnen. Die Republikaner fordern sofortige Steuersenkungen, während Bill Clinton gestern erneut darauf bestand, das Geld für das marode Sozialsystem aufzusparen.

Zum erstenmal seit Jahrzehnten hat eine Regierung Gelegenheit, Politik zu machen, die nicht allein dem Sparzwang unterworfen ist. Clinton will die Überschüsse aufbewahren, um damit die Rentenkassen zu sanieren, die bei Fortsetzung des derzeitigen Trends 2030 leer wären. Nächstes Jahr soll diese Reform in Angriff genommen werden. Aber er beruhigte gestern die Steuersenkungsfans: „Das bedeutet nicht, daß es nie Steuersenkungen geben kann.“

Den Republikanern hat Bill Clinton mit diesem Haushalt den Wind aus den Segeln genommen. Den schmachvollen Winter 1995/96 kann der Präsident jetzt endlich vergessen. Damals hatte der konservativ dominierte Kongreß, angeführt von Clintons Gegenspieler Newt Gingrich, Gelder blockiert, so daß der Staat teilweise seine Arbeit einstellen mußte. Die Regierung mußte ein Programm unterzeichnen, wonach sie bis zum Jahr 2002 den Haushalt auszugleichen hatte.

Den Plan hat Clinton übererfüllt. Bis 2002 erwartet sein Haushaltsbüro jetzt bis zu 148 Milliarden Dollar an Überschüssen. Zu dem Erfolg trug nicht nur eine Begrenzung der Staatsausgaben bei. Nur noch 15 Prozent des Etats gehen beispielsweise an das Militär.

Vor allem die immer weiter boomende Konjunktur hat dem Bund noch reichlichere Einnahmen beschert, als die Regierung selbst erwartet hatte. Noch im Februar hatte sie das diesjährige Defizit auf 10 Milliarden Dollar geschätzt. Der selten hohe Beschäftigungsstand bedeutet für den Staat selten hohe Lohnsteuereinnahmen. Auch vom anhaltenden Aktienboom bekommt der Bund durch die Kapitalertragsteuern etwas ab.

Ob etwas von den Überschüssen zum Abbau der Schulden eingesetzt wird, ist indes fraglich. Die jahrzehntelangen Haushaltsdefizite haben in den USA inzwischen eine Staatsverschuldung von 5,6 Billionen US-Dollar auflaufen lassen – das sind 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allein zwischen 1981 und 1992, also in den Jahren der republikanischen Präsidentschaft, vervierfachten sich die Staatsschulden, nicht zuletzt wegen Ronald Reagans Rüstungsmanie, gepaart mit seiner Steuersenkungsphilosophie. 1993 war es eine der ersten Amtshandlungen Bill Clintons gewesen, die Steuern zu erhöhen.