■ Clinton in Tokio: Japan reagiert auf die US-Kritik mit Zorn: Clintons richtiger Weg
Wenn Bill Clinton heute in in Tokio eintrifft, wird ihm Kritik von allen Seiten entgegenschallen. Japanische Kommentatoren ärgert das arrogante Auftrumpfen Amerikas angesichts der verzweifelten Wirtschaftslage in der Region. Immer wieder hat Washington auf Wirtschaftsreformen in Japan gedrängt – bis es manch stolzem Insulaner zuviel wurde. Den Japanern liegt zudem im Magen, daß Amerika China größere Aufmerksamkeit zollt.
Doch die japanische Kritik ist größtenteils ungerechtfertigt. Amerika fordert von Asien, und auch von Japan, wirtschaftliche Liberalisierung und Demokratie. Die erste Forderung entspricht dem hohen amerikanischen Handelsdefizit mit nahezu allen asiatischen Ländern. Von Tokio bis Singapur gilt: Ohne den sperrangelweit offenen US-Exportmarkt ist an eine Wirtschaftserholung in Asien nicht zu denken. Wenngleich eine zu schnelle Liberalisierung den ärmeren asiatischen Ländern schaden wird – verdenken kann man den USA ihre wirtschaftlichen Interessen nicht. Und für Japan sind sie sogar nützlich: Die US- Konkurrenz kann bewirken, was der japanischen Regierung mit einer ineffektiven Nachfragepolitik nicht gelingt: die Auflösung der erstarrten, um Banken und Ministerien gescharten Industriegruppen.
Die zweite Forderung nach mehr Demokratie ist Clintons Herzensangelegenheit. Zum Modell für die Region erklärt er das demokratische Süd-Korea, in dem vor elf Monaten ein reibungsloser Regierungswechsel stattfand. Der damals gewählte Ex-Dissident Kim Dae Jung sprach vor kurzem in Peking über die Universalität der Menschenrechte, deutlicher als jeder andere asiatische Staatschef vor ihm in China. Doch er tat nur, was Clinton während seines China- Besuchs so erfolgreich vorgemacht hatte.
Japan ist ein Sonderfall, weil die Demokratie hier funktioniert, ohne bislang eine andere Regierungsmannschaft als die Liberaldemokraten dauerhaft an die Macht zu bringen. Washington hat deshalb in Tokio die Rolle der fehlenden Opposition übernommen.
Tatsächlich stimmt das US-Grundanliegen mit den Interessen der meisten Japaner überein: Erst der Schritt von der Produzenten- zur Verbrauchergesellschaft, die dann auch für US-Unternehmen leichter erreichbar wäre, kann das Land langfristig aus der Wirtschaftskrise befreien. Mit dieser Gewißheit kann Clinton seinen japanischen Kritikern gelassen begegnen. Georg Blume
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