Claudius Prößer hat sich ein paar neue Fahrräder angesehen: Unelektrisch ist aber so was von out
Auf dem Weg zur Arbeit wackelt der Vorbau, und auch die Hinterbremse hatte schon mehr Power: Fahrräder wollen gepflegt sein – ein Problem, wenn einem dazu die Ahnung oder Lust fehlt. Wie wär’s stattdessen mit einem neuen Rad? So richtig schnafte, federleicht und gut geölt? Gucken kostet ja nichts: Der Pressedienst Fahrrad, eine PR-Agentur von Herstellern, Vereinen und Verbänden hat zur Vorstellung der Trends für 2018 in die Kalkscheune eingeladen, da schauen wir mal rein.
Was dem Velo-Laien gleich angenehm auffällt, ist die Freundlichkeit, mit der Arne Bischoff und Thomas Geisler die nicht immer fachmännischen Fragen der BesucherInnen beantworten. Bei Verkäufern in Berliner Fahrradläden hat man ja schnell den Eindruck: Die wollen gar nicht helfen, die geben nur gerne mit ihrem Nerd-Wissen an.
Nerdig wird es allerdings auch bei den 2018er-Trends, die Herstellernamen purzeln nur so, für jede Schraube gibt es Markennamen, die wohl Eingeweihten vertraut klingen, nicht aber Normalsterblichen, die sich um den Ton der Klingel mehr Gedanken machen als um die Ritzelfräsung.
Was trotzdem hängenbleibt: Fahrräder ohne Elektromotor sind so was von abgemeldet. Der Trend geht zum komplett eingehausten Antrieb, wo keine Kabel und kaum noch Zahnräder zu sehen sind, dafür ein tabletgroßer Lenkercomputer, über den sich die Performance haarklein steuern lässt. In der Mountainbike-Sparte sehen die E-Räder sogar schon wie schlanke Motorräder aus.
Bambus und Haifischhaut
Leichtgewichte sind die ganzen Akku-Modelle natürlich nicht, auch nicht bei den Kosten. Als Bischoff ein Non-E-Bike für 1.299 Euro vorstellt, markiert das die Untergrenze der präsentierten Auswahl, sonst changieren die Preise zwischen 3.000 und 6.000 Euro. Jede einzelne Komponente gibt es in optimierten Ausführungen, wie das Vorderrad, dessen Beschichtung angeblich der Haifischhaut nachempfunden ist, was die Aerodynamik noch ein kleines bisschen besser macht und den Preis auf 4.000 Euro hebt.
Natürlich liegt auch Nachhaltigkeit im Trend. Ob der in Ghana produzierte Bambusrahmen eines Kieler Herstellers das High-End-Produkt für 2.499 Euro wirklich zur Wohltat für die Umwelt macht? Viel nachhaltiger wäre es doch, den eigenen, nicht mehr ganz rostfreien metallenen Untersatz auf Vordermann zu bringen. Dann bliebe zumindest Geld übrig, das man in einen „E-Latz“, einen aus Lkw-Planen handgefertigten Spritzwasserschutz (12,90 Euro) oder in vegane Energiewürfel mit Margarita-Geschmack (2,99 Euro) investieren kann.
Vielleicht hält das olle Teil ja wirklich noch ein bisschen. Dem schnittigen, elektrounterstützten Lastenrad, das einen anlacht und „Mit mir brauchst du gar kein Auto mehr“ flüstert, raunt man derweil zu: „Das nicht, aber eine Garage.“
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