Claudius Prößer hat sich die LED-LampeNmodelle angeschaut, die im Moabiter Beusselkiez bald Gaslaternen ersetzen sollen: „RFL500-SE“ strahlt wie Margarine
Berlin, Stadt der Möglichkeiten. Hier hat man immer die Wahl: zwischen Curry mit und ohne Darm, barfuß und Lackschuh, Müller und Henkel. Richtig verzwickt ist es gerade im Beusselkiez. Dessen BewohnerInnen sollen sich zwischen nicht weniger als sieben verschiedenen Straßenlaternen entscheiden. Der Grund: Die ollen Gasfunzeln verbrauchen zu viel Energie, künftig soll den Moabitern mit LED heimgeleuchtet werden.
In der ganzen Stadt fallen derzeit die alten Gasleuchten der Nachhaltigkeit zum Opfer, vor allem in den westlichen Bezirken, denn dort sind nach dem Krieg die meisten stehen geblieben. Seit mehreren Jahren schon werden sie ersetzt, am Ende sollen von 44.000 nur 3.300 in ein paar Kiezen übrig bleiben – der historischen Authentizität halber, immerhin ist Berlin eine Gaslicht-Stadt.
Damit der Unterschied wenigstens tagsüber nicht so auffällt, wurden in Neukölln und in Spandau die angestammten Laternen einfach auf Leuchtdioden umgerüstet. Im Beusselkiez geht das nicht, heißt es, der Polizei und vielen Bürgern ist es hier einfach zu dunkel. Da müssten entweder viel mehr von den alten Modellen her – oder aber moderne Leuchtentypen. Die stehen jetzt und strahlen probeweise die Waldstraße rauf und runter, und man kann, wenn man will, online ein Häkchen für die Favoritin setzen.
Einfach wird das nicht, blumige Namen und ausgesuchte Formen verwirren sensible Gemüter. „Italo“ sieht aus wie eine Zahnarztleuchte, „Cuvia“ ähnelt einem Golfschläger. „Lucento“ hat was von einer Campinglampe. „Townguide“ heißt vermutlich so, weil sie extrem hell ist und so selbst dem verstrahltesten Partyvolk den Weg weist. Die Laterne mit der wohl klassischsten Formgebung heißt verwirrenderweise nicht „Berolina“ oder „Schlüter“, sondern „RFL500-SE“.
Eines wird keiner gelingen: echtes Gaslicht simulieren. Denn das, man sieht es im direkten Vergleich ganz gut, schimmert goldgelb wie frisch geschmolzene Butter. Dagegen ist LED-Licht Margarine. Schmeckt auch okay und ist gesünder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen