: Citizen Fish und Gringer
■ Befrei-deine-Seele-in-einer-gefangenen-Umgebung-Weltverbesserer
Sie heben aufs Gegensätzliche, aufs scheinbar sich Ausschließende, aufs kantig Fließende, aufs anorganisch Beseelte ab: »Eine Unvereinbarkeit: Bürger: Stadt, Gebäude, kompakt, starr. Fisch: See, Wasser, fließend, bewegt. ... Das paßt nicht zusammen ... Aber hier sind wir alle ... Frei treibende Fische umgeben von Starre ... Und was machst du daraus? ... Das ist es, was unsere Musik ausmacht«. Soweit der Covertext der 1990 erschienenen LP »Free Souls in a trapped Environment«, deren Titel so ziemlich jeden sozialistisch oder auch nur sozial gesonnenen Zeitgenossen zur Verzweiflung treiben könnte.
Das England der Torries ist auch jetzt noch, 14 Jahre, nachdem das alles begann, 14 Jahre, in denen sich Hippietum und Punk, Jazz und Metal zur großen Crossoverparty vereint haben, dieses England ist wohl die weltweit einzige Nation, in der solch lärmende Befrei-deine-Seele-in-einer- gefangenen-Umgebung-Weltverbesserer noch leben können und mit ihrem Jazz-Ska- Reggae-Punkrock und ihren darin hippiesk umherfantasierenden Vegetarierhirnen ein Publikum zu finden die Hoffnung haben könnten. Ein Publikum aber, das vielleicht auch einfach nur die Texte nicht versteht und auch viel zu betrunken die Bühne anspringt und nur Punkrock der zugegebenerweise reiferen, ausgefeilten Machart hört, obwohl es doch darum geht, selbstbewußt und revolutionär in sich selbst und für sich selbst, und damit für den Rest der Menschheit, zu leben in einer ganz beschissenen Welt, aber daß die Welt eigentlich nicht zum aushalten ist, muß man ja nicht unbedingt mitkriegen, weil schließlich macht dein Kopf die Welt und nicht die Welt deinen Kopf. Deswegen auch der Fisch im Namen; der Fisch ist ein friedliches, selbstzufriedenes, autarkes Wesen in einer mittlerweile verrotteten Welt, für deren Zerstörung er aber nichts kann.
Citizen Fish unterscheiden sich hiervon nur dadurch, daß sie musizierende Bürger sind. Wenn man nicht auf die Texte hört und keine Interviews mit ihnen lesen muß, könnte man sogar ein gutes Konzert serviert bekommen.
Gringer sind wenigstens nicht von dieser Art missionarischen Eifers durchdrungen, der sie dazu zwingt, haufenweise unausgegorenes Zeug zu erzählen, sie beschränken sich darauf, ihr Info selbst langweilig zu finden und dafür verrückte Amerikanermusik darzubieten. Erika
Um 22 Uhr im Ex
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