: Christopher reist umsonst nach Sarajevo
■ Trotz Einigung über das Ende der bosnisch-kroatischen Teilrepublik wird der Vertrag nicht unterschrieben. Nato verteidigt Ifor bei Inspektion von Mladićs Bunker
Genf (taz) – Die Auflösung des selbstproklamierten bosnisch-kroatischen Teilstaates Herceg-Bosna ist erneut verschoben worden. Erst am Mittwoch hatten die Präsidenten Bosniens und Kroatiens, Alija Izetbegović und Franjo Tudjman, bei einem Treffen in Genf die Auflösung bis zum 31.August beschlossen. Die Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrages, die gestern im Beisein von US-Außenminister Warren Christopher stattfinden sollte, sowie der Beginn von „Gesprächen über die Zukunft und den Aufbau der muslimisch-kroatischen Föderation“ wurden laut einer Mitteilung des bosnischen Außenministers zunächst ohne Angabe von Gründen vertagt. Die Auflösung von Herceg-Bosna ist im Friedensabkommen von Dayton vorgesehen.
Äußerungen des Nato-Oberkommandierenden, General Joulwan, verstärkten gestern den Eindruck, daß die Ifor-Truppen in Bosnien Anweisung haben, eine Festnahme mutmaßlicher Kriegsverbrecher zu vermeiden. Vor Journalisten in Genf räumte Joulwan ein, daß sich während der versuchten Inspektion eines Bunkers im Militärhauptquartier der bosnischen Serben durch sieben Ifor-Soldaten am letzten Samstag „in unmittelbarer Nähe“ eine starke Ifor-Einheit befand. In dem Bunker hielt sich zu diesem Zeitpunkt der mit internationalem Haftbefehl des Den Haager Kriegsverbrechertribunals gesuchte bosnisch-serbische Militärkommandeur General Ratko Mladić auf.
Die Inspektion war zunächst gescheitert, weil die sieben Ifor-Soldaten die Bedingung der Serben abgelehnt hatten, sich von Mladić eskortieren zu lassen. Da sich in der Bunkeranlage auch 200 bis 300 bewaffnete Serben befanden, hätten die Inspektoren vom Versuch einer Festnahme Mladićs abgesehen, hatte ein Ifor-Sprecher am Mittwoch erklärt. Nach Joulwans Angaben habe die in der Nähe des Bunkers anwesende Ifor-Einheit „keine Instruktionen gehabt“, zur Unterstützung der Inspektoren einzugreifen und eventuell eine Festnahme Mladićs vorzunehmen.
Die Inspektion fand dann am Mittwoch statt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Mladić nicht mehr in der Bunkeranlage. Nach Angaben des Nato-Oberbefehlshabers verhandelte die Ifor über zwei Wochen mit den Serben über die Inspektion. Warum die Ifor überhaupt mit den Serben verhandelte und nicht von ihrem Mandat Gebrauch machte, aufgrund dessen sie in Bosnien jederzeit, an allen Orten und ohne Vorankündigung Inspektionen durchführen kann, konnte Joulwan nicht beantworten. Andreas Zumach
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