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Christoph Raffelt MundwerkGrüner Adelfränkisch statt Grauer Burgunder

Der weltweit schwindende Artenreichtum betrifft nicht nur die wilde Fauna und Flora, sondern seit geraumer Zeit auch unsere Nutzpflanzen. Während bei Obst- und Gemüsesorten vor allem EU-Normen vieles nivelliert und historische Sorten haben vergessen lassen, waren es im Weinbau Schädlinge, Krankheiten und die Tatsache, dass manche Sorten schlichtweg einfacher in Monokultur anzubauen sind als andere. Im 19. Jahrhundert kamen aus den USA sowohl die Reblaus als auch der Echte und der Falsche Mehltau.

Besonders die Reblaus hat den europäischen Weinbau nahezu vernichtet, und in dieser Zeit sind entsprechend viele Rebsorten ausgestorben. In den letzten 150 Jahren hat sich zudem der Anbau auf immer weniger Sorten konzentriert, sodass heute kaum noch jemand mehr als 20 unterschiedliche Rebsorten aufzählen kann, ohne länger nachzudenken. Tatsächlich aber gibt es mehrere 1.000 Rebsorten – die meisten dort, wo man die Wiege des Weinbaus vermutet: am Schwarzen Meer, in Georgien, Armenien und in der Türkei.

Doch auch in Deutschland haben mehr Sorten überlebt, als man lange gedacht hat. So hat der Rebforscher Andreas Jung, im Fachjargon als Ampelograf bezeichnet, in den letzten zehn Jahren mehr als 350 Sorten in alten Weinbergen, in Wald und Flur und manchmal auch an Hauswänden historischer Bauten wiederentdeckt. Manche Ranken, die lange für Efeu gehalten wurden, entpuppten sich als teils jahrhundertealte Reben. Viele hatten zuvor als ausgestorben gegolten.

Zusammen mit Ulrich Martin von der Rebschule im rheinhessischen Gundheim sowie einigen engagierten Winzern wird ein Teil dieser Rebsorten wieder kultiviert. In der Gundheimer Rebschule Martin findet man aktuell Rebsorten wie den Arbst, den Gelben Kleinberger, den Süßschwarz, Schwarzurban, Grünfränkisch oder Grünen Adelfränkisch.

Das Kultivieren dieser Rebsorten ist nicht nur aus historischen Gründen wichtig. Diese Rebsorten bringen auch altes Genmaterial in die Bestände, die durch jahrzehntelanges Klonen von wenigen Sorten genetisch immer ärmer geworden sind und damit anfälliger für Viren und Krankheiten. Nach und nach nehmen sich immer mehr Winzer dieser Sorten an, und es dürften nach Meinung von Jung und Martin noch viel mehr werden.

Einige Rebsorten werden wieder sortenrein angebaut, so etwa der Gelbe Orleans im Weingut Knipser, der Gelbe Orleans und der Weiße Heunisch (ein Elternteil des Rieslings und vieler anderer bedeutender französischer Rebsorten) im Weingut Georg Breuer oder der Adelfränkisch im Pfälzer Weingut Heiner Sauer. Der hatte jahrelang eine, wie er dachte, besonders würzige Variante des Weißburgunders angeboten. Irgendwann aber kamen ihm bei der Rebsorte, die sich so anders verhielt als sein restlicher Weißer Burgunder, Zweifel, und er zog Andreas Jung hinzu.

Der Ampelograf war völlig überrascht, einen ganzen Weinberg mit der Sorte Adelfränkisch zu finden, die bis dahin als verschwunden galt. Heute wird sie in mehreren Betrieben wieder kultiviert, unter anderem in einer Form, die bis ins 19. Jahrhundert üblich war: im gemischten Satz. Die wenigen Weinberge dieser Art, in denen viele unterschiedliche Rebsorten zusammen angebaut, gelesen und deren Trauben dann gemeinsam vergoren werden, sind bis heute ein Hort seltener Rebsorten.

Infos: www.rebenpatenschaft.de und www.historische-rebsorten.de

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