Christoph Daums Vorstellung in Frankfurt: "Visionen müssen zu Fakten werden"
Christoph Daum will Frankfurt vor dem Abstieg bewahren. Ist das geschafft, kommen die Visionen dran. Er versprach, "25 Stunden am Tag" für die neue Aufgabe da zu sein.
FRANKFURT taz | Vorne links vorm Podium hatten sich Peter Fischer und Wilhelm Bender platziert. Der eine ist Präsident, der andere Aufsichtsratsvorsitzende der Eintracht; es sind zwei honorige Herren, deren Bekanntheitsgrad nicht über die Stadtgrenze hinausreicht. Sie schienen vor Stolz fast zu platzen ob des Blitzlichtgewitters, das in bislang einzigartiger Form über einem Trainer ihres Bundesligavereins niederging. Fehlte im fensterlosen Presseraum der Frankfurter Arena nur noch, Fischer und Bender hätten eine Pocketkamera gezückt, um den Augenblick festzuhalten.
Mit der Ankunft von Christoph Daum, so viel steht seit dem gestrigen Tag fest, hat in der Mainmetropole eine neue Zeitrechnung begonnen. Daum steht für eine gewisse Eloquenz und Extravaganz, er kann sich halt selbst inszenieren. Der 57-Jährige übertraf sich diesbezüglich bei seiner fast einstündigen Vorstellung. Klar, zuerst müsse man schnell den Klassenerhalt schaffen, führte der im grauen Anzug und rosa Hemd erschienene Daum vor dem Dickicht der Mikrofone aus, "doch dann wollen wir das internationale Flair in diese Stadt zurückholen. Visionen schaffen Fakten - diese Visionen müssen zu Fakten werden."
Man spürte förmlich, wie der neben ihm platzierte wertkonservative Vereinschef Heribert Bruchhagen bei diesen großspurigen Ankündigungen einige Zentimeter kleiner wurde. Doch Bruchhagen, 62, hat diese Lösung so gewollt und fügte stolz an, dass "wir uns ganz schnell ohne Berater und Juristen geeinigt haben - das geht heutzutage auch noch." Daum soll für das vorerst bis Saisonende befristete Engagement ein kolportiertes Monatsgehalt von 250.000 Euro erhalten, ehe im Erfolgsfall eine weitere zweijährige Zusammenarbeit besiegelt werden kann.
Mit Daum kehrt eine der schillerndsten Persönlichkeiten ins Rampenlicht zurück. Der Mann gilt als eigenwilliger Instruktor. "Es reicht aber nicht, eine Person als Messias zu verehren", insistierte Daum eingedenk seiner Kölner Erlebnisse, versprach aber sogleich, "25 Stunden am Tag" für die neue Aufgabe da zu sein.
Seit Juni letzten Jahres Bundesligatrainer im Wartestand
Er, der nach seiner Entlassung bei Fenerbahce Istanbul bereits seit Juni vergangenen Jahres für einen Bundesligajob wieder im Wartestand verharrte und gerade eine schmucke Villa in einem Waldstück von Köln-Hahnwald bezogen hat, werde jetzt die Familie total zurückstellen. "Frau und Kindern habe ich daheim Bilder hingestellt. Ich komme allerhöchstens Sonntag zum Kaffee kurz nach Hause."
Der psychologisch geschulte Einpeitscher, der bei der Arthur Andersen Consulting genauso gerne referiert wie bei der Kreissparkasse Ludwigsburg, weiß, welche Worte wirken. Zum Beispiel diese: "Wenn der Kopf richtig funktioniert, ist es das dritte Bein, das den Unterschied ausmacht."
"Wir funktionieren wie ein Ehepaar"
Gleichwohl verriet er fast nebenbei, dass er über die schlechteste Rückrundenmannschaft "nur rudimentär" informiert sei; bei der detaillierten Aufarbeitung dieses Defizits sollen nun sein als Video- und PC-Spezialist fungierender Sohn Marcel und sein ewiger Assistent Roland Koch ("Wir funktionieren wie ein Ehepaar.") helfen. Rasch will Daum, dessen erstes lockeres Training am Nachmittag live im HR übertragen wurde, "Aufbruchstimmung" erzeugen. Es wird bei ihm keine Medizinbälle geben wie just bei Magath in Wolfsburg - denn Daum hält beim Training "den Ball für die beste Medizin".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative