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■ Christoph Bertram und Deutschlands kleinste Selbsthilfegruppe auf arte:Leider Gottes die Glotze!

Das Fernsehen bringt es an den Tag: Offenbar hat Helmut Schmidt „die schöne Zeit als einer der zwei Männer, die ein Vierteljahrhundert die Geschicke des Landes...“ – jedenfalls den Verlust nicht verkraftet. „Das ist eine journalistische Erfindung, die sollten Sie schnell wieder vergessen!“ herrscht der Zeit-Herausgeber wie zur Bestätigung den Zeit-Korrespondenten Christoph Bertram an. Der wird seine Einsicht zum Schluß der Sendung in die Wendung gießen, er fühle sich „zu Recht zur Ordnung gerufen“. Und sich erst recht zu Recht „aus einem faszinierenden Gespräch zweier Männer“ verabschieden.

Eine Stunde dauerte das „Fernsehgespräch“ zwischen Helmut Kohl und Helmut Schmidt auf arte, in dessen Verlauf Schmidt seine komplette Drogenkarriere wiederaufführt: Straff soldatisch beginnt er, doch die „Rheyno-Lights“, das Glas Cola und „Pöschl's Gletscherprise“ stehen, liegen und lauern kantengenau gestapelt vor ihm bereit. „Starker Tobak“, stellt Moderator Bertram das Gespräch schlagfertig auf eine Zerreißprobe; und schon zerreißt es ihn: „Sie sitzen jetzt schön als Journalist in Ihrem Sessel“, versetzt Kohl.

So war Bertram in seinem ganzen Berufsleben noch nicht mißverstanden worden. Damit wollte Kohl sagen, daß er länger als 15 Jahre kann; während Schmidt gerade demonstrierte, daß er keine Stunde mehr schafft: Nach exakt 40 Minuten und drei Zigaretten präpariert Schmidt die erste Prise, im nächsten Gegenschnitt sabbert der braune Schleim bereits aus seinem rechten Nasenloch. Mit einer Flutkatastrophe hatte seine Karriere auch begonnen.

Nun legt er prustend den braunen Sumpf trocken. Und gibt zu bedenken: „Wir sind noch'n bißchen jünger als die Leute, die, wie Volker Rühe einmal gesagt hat, durchs Feuer gegangen sind.“ Wurde Ernst Jünger seebestattet? müßte Bertram hier nachhaken, wären seine beiden Liebenden nicht schon beim Zungenkuß angekommen: „Überlebende!“ seien es, die dem Volk Führung gegeben haben. Und „Sie nehmen mir das Wort von den Lippen!“ fällt Schmidt Kohl in dasselbe. Eine Frontkämpfermarotte, allenfalls. Seinen Bertram hat Schmidt überhaupt erst nach 33 Minuten und 50 Sekunden erstmals eines Blickes gewürdigt. Wäre es nicht die Ichversessenheit des Drogenkranken, so wäre es eine erschütternde Flegelei. Und ist es beides nicht, so dann doch – man hat das Ganze im Kanzleramt aufgezeichnet – der Genius loci (in Zusammenarbeit mit der Helmut-und-Loki- Schmidt-Stiftung).

Nicht nur der Job als Regierungschef, „sondern die Demokratie überhaupt hat sich verändert“ sagt Helmut Schmidt, denn, richtig, Nick: „Konrad Adenauer schlief auch zu Mittag.“ So leicht lassen die beiden Kanzler sich aber nicht vom Thema abbringen, und Schmidt ruft zum Beweis dessen die einzige Macht über sich (Kohl: „Natürlich betet man! Warum soll ich das nicht sagen hier?“) an: „Leider Gottes!“ sei das Fernsehen „heute das wichtigste Medium“, die „Glotze“ (Schmidt), und nicht etwa „Bücher“ (Schmidt). Na, wie man unter Durchs-Feuer-Gegangenen so sagt: Da sitzt ihr drei gerade ganz schön in der Scheiße, respektive Glotze, beziehungsweise: ist ja nur arte.

Auf Beschluß der Bundesregierung, hier vertreten durch den Kanzler, ist es fürderhin „Tatsache, daß v.a. die elektronischen Medien viel zuschlagen“. Deshalb, so möchte Schmidt „ausdrücklich unterstreichen“, hat „der Politiker Recht auf Antikritik, er darf durchaus zurückschlagen!“ Das habe nichts mit den Hallenser Eiern gegen Kohl zu tun, die dem daraufhin einfallen. Welcher Journalist hat schon Eier gegen Kohl? Für ihn, vielleicht, 12 pro Karamelpudding.

Fazit: 1. Journalismus ist – wie Fernsehen auch – widerlich; auch wenn man sich in beidem von seinen Untergebenen befragen lassen kann. 2. Führung geben die Überlebenden, „das ist der Vorteil einer konkreten Notsituation“ (Schmidt mit Nicken Kohls).

3. Wenn man Helmut Schmidt fragt, ob er mal Feuer hat, sagt er: Da bin ich durch. Friedrich Küppersbusch

und Benjamin v. Stuckrad-Barre

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