Christoph Ahlhaus: Der Mann für die zweite Reihe
Christoph Ahlhaus will wieder CDU-Bürgermeister in Hamburg werden. Ein aussichtsloser Kampf. Denn ihm fehlt das Gespür für die Hansestadt - und für seine Partei.
HAMBURG taz | Punkt 11.30 Uhr - so kündigte es die Homepage der Hamburger CDU an - werde der Bürgermeister am Dienstag der vergangenen Woche den Markt am Spritzenplatz im Hamburger Viertel Ottensen besuchen. Längst ist der Zeitpunkt verstrichen, doch Christoph Ahlhaus lässt sich nicht blicken. Mehrere Journalisten warten vergebens auf den Auftritt des Amtsinhabers.
Rund um den Marktplatz lächeln die Kandidaten aller Parteien von den Plakaten - die grüne Anja Hajduk, die FDP-Frau Katja Suding und natürlich der omnipräsente Olaf Scholz, der Ahlhaus am 20. Februar als Hamburger Bürgermeister beerben will. Von den CDU-Plakaten aber blickt nur der lokale Kandidat der Union ein wenig traurig in die Menge. Es scheint, als wolle die CDU ihren Spitzenkandidaten verstecken.
Der wahlkämpft unterdessen, knapp hundert Meter entfernt, im Mercado, der Ottensener Einkaufsmeile. Schüttelt Hände, erkundigt sich bei den Einzelhändlern brav, wie denn die Geschäfte so laufen, und hört, stets mit dem Kopf nickend, zu, statt viel zu erklären. Für die Sorgen und Nöte der Hamburger will er da sein, nicht abgehoben, nicht ideologisch - sehr bodenständig. Ahlhaus, der Kümmerer.
Wahl: Nach dem Bruch von Schwarz-Grün wurden in Hamburg für den 20. Februar Neuwahlen angesetzt. SPD-Spitzenkandidat ist Exarbeitsminister Olaf Scholz, die CDU führt Christoph Ahlhaus an.
Umfragen: Nach einer NDR-Umfrage aus der vergangenen Woche liegt die SPD mit 46 Prozent vorn. Die CDU liegt bei 25 Prozent. Dann folgen Grüne mit 14, Linkspartei mit 6 und FDP mit 5 Prozent.
Koalitionen: Je nachdem, ob FDP und Linke in die Bürgerschaft kommen, könnte die SPD - zumindest nach Umfragen - eine absolute Mehrheit erreichen. Scholz hat sich sonst auf Rot-Grün festgelegt.
Dass dabei niemand darauf achtet, dass Ahlhaus schließlich exakt 54 Minuten später als angekündigt am Spritzenplatz auftauchen wird, ist dabei typisch. Seit Ahlhaus Bürgermeister ist, herrscht im Hamburger Senat Unordnung: Der langjährige Chef der Senatskanzlei trat zusammen mit von Beust ab, seitdem organisiert niemand mehr den Laden.
Bei wichtigen Runden im Rathaus fehlt fast immer jemand, nur deshalb, weil die Bürgermeister-Crew schlicht vergessen hat, ihn zu informieren. Interview-Termine werden mehrfach verschoben, und ist endlich ein Termin gefunden, dann kommt der Bürgermeister auch zu diesem verspätet.
Ein Kandidat im Chaos. Ahlhaus' Unfähigkeit, den eigenen Laden zu organisieren, ist es, die im November den grünen Koalitionspartner von der Fahne gehen ließ. Ahlhaus fehlt zudem das politische Gespür dafür, dass es nicht gut ankommt, wenn er sich mit seiner Frau im Dienstwagen durch Paris kutschieren oder für eine Steuer-Million seine neue Villa in den Elbvororten sichern lässt - selbst wenn formal alles korrekt ist. Der gebürtige Heidelberger sieht nicht, dass es in Hamburg als "unhanseatisch" empfunden wird, wenn er sich samt seiner Simone für die Bunte als Glamourpaar in einem Luxushotel ablichten lässt.
Ahlhaus ließ sich neben seinem stets elegant auftretenden Amtsvorgänger und CDU-Kollegen Ole von Beust auch mal im quergestreiften Ringel-T-Shirt ablichten. Solch modische Fehltritte unterlässt er, seit eine Stilkritik des Hamburger Abendblatts ihn als Mann "der nach Delmenhorster Fußgängerzone aussieht" und den "ältesten Vierzigjährigen Hamburgs" bezeichnete. Das beweist zumindest Lernfähigkeit.
Die Vita von Christoph Ahlhaus weist keine Brüche auf. Geboren 1969 in Heidelberg, ist er bereits als Schüler - wie er selbst einräumt - als Spießer verschrien. Mit neunzehn macht Ahlhaus eine solide Ausbildung zum Bankkaufmann, um dieser ein genauso solides Jura-Studium anzuschließen.
Weil in der Heidelberger CDU alle Karrierewege für ihn verschlossen bleiben, kommt Ahlhaus 2001 an die Elbe und machte hier bei den Christdemokraten eine Blitzkarriere: CDU-Landesgeschäftsführer bis 2006, Innenbehördenstaatsrat bis 2008, Innensenator bis August 2010 und schließlich Hamburger Bürgermeister seit dem 25. August vergangenen Jahres.
Gleich mehrfach hat Ahlhaus sein Image gewechselt. Als Hamburger Innensenator gab er zwei Jahre lang den Hardliner. Als von Beust im Juli 2010 als Bürgermeister abtrat, signalisierte Ahlhaus, er sei ganz anders - grün-affin, liberal, modern und umweltbewusst. Nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition im November 2010 schwenkte Ahlhaus wieder nach rechts und kritisierte etwa die schwarz-grüne Schulpolitik als Fehler.
Das Wahlvolk ist verwirrt. Kaum noch lässt sich erkennen, wer Ahlhaus ist. Hamburgs Bürgermeister ist zum Mann ohne Eigenschaften geworden.
Gegen Olaf Scholz, SPD-Spitzenkandidat, hat so einer keine Chance. 20 Prozent liegt die CDU derzeit hinter der SPD, und stellen Demoskopen die Bürgermeister-Frage, dann ist die Differenz zwischen Scholz und Ahlhaus noch weit größer.
Sollten die Hamburger Ahlhaus abwählen, wird er nach knapp halbjähriger Amtszeit nicht mal den Titel des Bürgermeisters mit der kürzesten Amtszeit tragen dürfen. Den schnappte ihm 1920 der parteilose Gustav Friedrich Stahmer weg, der nur ganze 54 Tage die Hansestadt regierte. Selbst hier bleibt Ahlhaus der Mann in der zweiten Reihe.
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