Christival: Politische Demo oder nicht?
Sieben Zeugen vernahm gestern das Verwaltungsgericht. Heute entscheidet es, ob die Polizei Gegner des evangelikalen Festivals vertreiben und festnehmen durfte
Zehn Stunden dauerte der zweite Verhandlungstag, für ein Urteil reichte die Zeit nach dem Vernehmungsmarathon nicht mehr. Sieben ZeugInnen hörte das Verwaltungsgericht gestern, um zu klären, ob eine Polizeiaktion gegen Gegner des evangelikalen "Christival" im Mai 2008 rechtens war.
Zwei "queere" Aktivisten hatten die Polizei verklagt. Sie waren Teil einer Gruppe, die in der Martini-Kirche mit einem "Kiss-In" gegen einen Vortrag protestierte, der Homosexualität als Sünde und Krankheit einstufte. Als die Demonstranten zum Marktplatz zogen, wo ein Christival-Bühnenprogramm lief, kam es zur Konfrontation mit der Polizei.
Diese habe sie "grundlos und außerordentlich brutal" herumgeschubst, geschlagen und schließlich zur Domsheide abgedrängt, sagen die Aktivisten. Eine 34-jährige Klägerin wurde gewaltsam zu Boden geworfen, ein 20-jähriger in Gewahrsam genommen. Er musste sich auf der Wache komplett entkleiden, dabei hätten die Polizisten erniedrigende Witze über seinen Körper gemacht. Auch er erstattete Anzeige.
Vor Gericht ging es um die Frage, ob die Aktion der Christival-GegnerInnen eine bloße Störaktion oder eine politische Demonstration war. Sie nehmen dies für sich in Anspruch und machen geltend, vom Versammlungsrecht geschützt gewesen zu sein. Deshalb sei der Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen. Rund 50 UnterstützerInnen waren in den Gerichtssaal gekommen.
Die damalige Einsatzleiterin sagte aus, an jenem Tag zum Marktplatz gerufen worden zu sein. Das Lagezentrum der Polizei habe ihr mitgeteilt die Christival-Bühne solle von "Störern gestürmt werden". Als sie am Markt eintraf habe sie sich nach einem "Rädelsführer und damit einem Ansprechpartner" erkundigt. Weil sich aber niemand als "Rädelsführer" zu erkennen gab, und die "Gruppe eine Tendenz zur Bühne" gehabt hätte, habe sie Platzverweise erteilt. Auf Nachfragen räumte sie ein, sich nicht erkundigt zu haben, ob die Demonstranten zuvor versucht hätten, eine Versammlung anzumelden. Die Platzverweise seien gerechtfertigt gewesen, weil die Demonstranten vorher versucht hätten, einen Gefangenen zu befreien. Sie habe allerdings "überhaupt nicht" gewusst, wer dies gewesen sein soll. Wie viele Beamte im Einsatz waren, wollte die Polizistin vor Gericht nicht sagen - es sei ihr nicht gestattet, hierzu Angaben zu machen. Antworten durfte sie aber auf die Frage, ob sie die "Verbreitung homophober Inhalte von der Christival-Bühne" als Problem betrachte. "Nein, warum?" erwiderte sie dem Anwalt der Kläger.
Ein anderer Polizist bestritt, dass die Christival-Gegner als politische Versammlung zu erkennen gewesen seien. "Wir wussten nicht, was ihr Anliegen war", sagte er. Flugblätter habe er nicht gesehen und ein Transparent "nur ganz kurz". Stattdessen hätte die Gruppe sie "massiv angegangen", als sie einen Demonstranten, der in Richtung Bühne gegangen war, zur Personalienfeststellung in einen Polizeiwagen zogen.
Bei Redaktionsschluss dauerte die Verhandlung noch an. Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts rechnete für heute mit einer Entscheidung.
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