Christdemokratie: Zurück zum Stammtisch
Nach der für heute geplanten Abwahl von Fraktionschef Friedbert Pflüger wird das Programm der CDU auf einen Bierdeckel passen. Die künftigen Spitzenleute der Partei haben ihr Stammtischniveau schon häufiger bewiesen.
Friedbert Pflügers Thesenpapier "Aufbruch in Berlin" hatte immerhin 16 Seiten. Darin beschrieb der Noch-Fraktionsvorsitzende, der mit aller Wahrscheinlichkeit heute abgewählt wird, seine Vision einer modernen Großstadtpartei. Pflügers Credo: "Das Leben in der Metropole bedeutet immer die Begegnung mit dem Anderen, dem Fremden."
Mit dem Anderen und dem Fremden will die CDU, die Pflüger hinterlässt, nichts mehr zu tun haben. Sie schmort lieber im eigenen Saft. Nicht die Metropole ist ihr Horizont, sondern der Kiez. Und statt eines Aufbruchpapiers passt ihr Programm auf einen Bierdeckel.
Die wichtigsten Eckpunkte haben die Westberliner Kiezfürsten, die in der Berliner CDU nun das Sagen haben, in der Vergangenheit zusammengetragen. Zum Beispiel Ingo Schmitt. Der Landesvorsitzende zeigte nicht erst im Machtkampf mit Pflüger seine Geberqualitäten, sondern auch gegen den einstigen Koalitionspartner SPD. Als deren Schulsenator Klaus Böger auf den rot-roten Kurs Klaus Wowereits einschwenkte, nannte ihn Schmitt "die größte Politnutte" aller Zeiten. Schmitt, damals Generalsekretär der CDU, musste zwar gehen, kehrte aber kurze Zeit später als Landeschef zurück.
Ein weiterer Bierdeckelkandidat ist Frank Steffel. Der Herausforderer Klaus Wowereits bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 hat schon in seiner Schulzeit Schwarze "Bimbos", Türken "Kanaken" und Behinderte "Mongos" genannt. Das berichtete die Süddeutsche Zeitung am 23. August 2001. In einem Interview mit der Zeitschrift Max schloss Steffel eine solche Wortwahl nicht aus: "Ich würde nie sagen, ich habe so was nicht gesagt." Heute ist Steffel Vorsitzender des einflussreichen CDU-Kreisverbands Reinickendorf und einer der Strippenzieher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Dass er sich grundlegend geändert hat, behaupten nicht einmal seine Parteifreunde.
Stammtischformat haben auch Kurt Wansner und Frank Henkel. Von Wansner, dem Kreisvorsitzenden in Kreuzberg, stammt der Slogan "Deutschland muss in Kreuzberg wieder erkennbar werden". Als die taz vorschlug, die Kochstraße nach Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen, ging Wansner sogar auf die Straße. Sein Bürgerentscheid hatte allerdings keinen Erfolg. Kurz vor dem 1. Mai diesen Jahres wurden die Dutschke-Straßenschilder angebracht.
A propos erster Mai. Den verglich der CDU-Innenpolitiker Frank Henkel 2003 mit Bürgerkriegsszenarien in Beirut. Und die Distanzierung Pflügers von Roland Kochs Wahlkampfstil in Hessen kommentierte Henkel mit den Worten: "Die Union darf vor linken Diffamierungskampagnen nicht auch noch den Kniefall machen." Henkel gilt bei der heutigen Sitzung der CDU-Fraktion als möglicher Nachfolger Pflügers für den Vorsitz.
Noch kieziger als in Mitte, wo Henkel den Kreisfürsten gibt, geht es nur in Charlottenburg zu, dem Kreisverband von Ingo Schmitt. Unvergessen ist hier die Kiezgröße Otto Schwanz, als Bordellbetreiber eine Legende am Stuttgarter Platz. Schwanz Nähe zur Charlottenburger CDU und ihrem Baustadtrat Wolfgang Antes brachte den ersten großen Bauskandal 1984 ins Rollen. Mit dabei im damaligen CDU-System Westberlin, das nun wieder an der Macht ist - Exregierender Eberhard Diepgen und sein Helfershelfer Klaus Rüdiger Landowsky.
Einer, der die CDU schon einmal auf Großstadtkurs bringen wollte, ist der Pankower Kreisvorsitzende Peter Kurth. Kurth, der sich nach langem Zögern zu seinem Schwulsein bekannte, wollte nach dem Ende der großen Koalition 2001 Fraktionsvorsitzender werden - und unterlag.
Heute ist Peter Kurth Kreischef in Pankow und sammelt die liberalen Großstadtmenschen um sich. Doch die können es mit den Kleingeistern in der CDU nicht aufnehmen - weder was die Stammtischqualitäten betrifft, noch die rechte Durchschlagskraft.
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