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Chopin light

■ „Ein Winter auf Mallorca“versinkt in Reiseprospektästhetik

Der Winter 1838/39 auf Mallorca hatte für den polnischen Komponisten Frédéric Chopin und die französische Schriftstellerin George Sand so hoffnungsvoll angefangen: „Wir sind stets beisammen und finden daran immer mehr Vergnügen“, schreibt George Sand. Nicht nur der Inselaufenthalt, auch die zehnjährige Beziehung endete mit einem Fiasko, das man heute nicht mehr nachvollziehen kann. Sand hat alle Liebesbriefe vernichtet und vieles in „Die Geschichte meines Lebens“, für sie selbst sicher beschönigend, dargestellt. Auch dem Hamburger Pianisten Ludolf Lessmann gelingt es nicht, sein an sich sehr ansprechendes Konzept stringent durchzuführen. Zusammen mit dem Dramaturg Volker Wacker sollte unter dem Titel „Ein Winter auf Mallorca“ein Abend entstehen, der laut Ankündigung „anspruchsvolles Klavierspiel mit anderen Elementen zu einer unterhaltsamen Konzertform zusammenfaßt“. Doch kam die Veranstaltung im kleinen Glockensaal über Unterhaltung und Illustration kaum hinaus.

Stellt man gar keine Ansprüche an eine wie auch immer geartete Verbindung von Musik und Poesie – immerhin das Zentralthema von Chopins Ästhetik – , von Natur und Komposition, von Leben/Beziehung und Schaffenskraft, dann kann man mit diesem Abend vielleicht zufrieden sein: Texte von George Sand über alles Mögliche aus Mallorca, wenig über Chopin selbst, Texte von Chopin über alles Mögliche, nur wenig zu seiner geheimnisvollen Ästhetik, dazu als Dias die schönsten Werbefotos aus Mallorca, Porträts, Manuskripte. Ein bunter Bilderbogen, der zusammen mit der Musik von Chopin alles anriß und nichts verfolgte.

„Er wurde ärgerlich, als ich von Tonmalerei sprach“, sagte George Sand. Eine hochinteressante Bemerkung, die in das Chopinsche Selbstverständnis seiner Musik hätte einführen können. Sie hinderte die Veranstalter nicht, zum „Regentropfenprélude“Dias von Regentropfen zu zeigen und das Thema Tonmalerei und Programmatik nicht weiter zu verfolgen. „Das besondere Konzerterlebnis“– so die Ankündigung – erschöpfte sich in einem beliebig illustrierten, unterschiedlich überzeugenden Klavierabend von Ludolf Lessmann. Chopins Musik, mit der er alles Laute verachtete, mit der er immer „andeutet, niemals behauptet“(André Gide), setzte der Pianist zufriedenstellend, wenn auch nicht begeisternd um. Zum Abschluß gab es viel Beifall und drei Zugaben, deren Interpretationen immer besser wurden. Ute Schalz-Laurenze

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