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Chippendale im Wohnwagen

■ Neues aus der Innenarchitektur

Konni hat vor drei Monaten eine tolle Erbschaft gemacht. Chippendale-Sekretär, Judendstühl- Stile (oder so ähnlich, hat er nur ganz beiläufig erzählt) und einen Perserteppich (vom Schah geknüpft, hatte die Oma behauptet, hätte der Händler behauptet). Alles erste Sahne, und Konni, der vorher nur mit Apfelsinen-Kisten und Einkaufswagen gehaust hatte, schleppte die Sachen per LKW in seine Hütte.

Zwei Wochen später bekam Konni die Kündigung. „Eigenbedarf“ lautete die schriftliche Auszugsaufforderung. Die Apfelsinenkisten standen noch für den Sperrmüll an der Straße, da mußte der Chippendale wieder verladen werden.

Keine Bude, nichts zu machen. Übergangsweise tauchte Konni bei Bekannten in einem Wohnwagen unter, das muß aber unter uns bleiben, ehrlich, ist nämlich verboten. Den Chippendale hatte er ins Herz geschlossen. Aber der zeigte sich störrisch. Altes Holz hat seinen eigenen Willen.

Konni fackelte nicht lange. In einer feinen Laubsägearbeit verkleinerte er den Eindrehwinkel für die enge Wohnwagentür, indem er die Beine leicht verkürzte. Konni hatte immer schon ein Händchen für sowas. Der Rest war Routine aus 13 vorangegangenen Umzügen.

Den Perserteppich hatte Konni ins Vorzelt gelegt, den „Empfangssalon“, wie er liebevoll erklärte. Der Chippendale stand im „Westflügel“ des Wohnwagens, „wenn du reinkommst, rechts, und dann immer geradeaus“. Immer, wenn die Sonne unterging, setzte er sich an seinen Chippendale und sah sie untergehen.

Konnis individuelle Raumgestaltung hat sich in der Szene herumgesprochen. Scharenweise räumen vier-Zimmer verwöhnte, kinderlose Doppelverdiener ihre gewöhnlichen Stuckpaläste, gefragt ist die Idylle im Vorgarten.

Das Interieur muß allerdings echt sein. Konni, dessen sechs- Quadratmeter-Palast demnächst als Farbbericht im „Schöner Wohnen“ erscheinen wird, hat sich erboten, als Berater für Innenarchitektur aufzutreten. Weil die Nachfrage so groß ist, überlegt er, ob er sich Büroräume mieten und vielleicht eine Sekretärin einstellen sollte. Der Schreibkram nehme immer mehr überhand und lähme seine kreativen Gedanken, ließ Konni über seinen Sprecher verlauten.

Um mobil zu sein, besorgte sich Konni wieder Apfelsinen-Kisten, in denen er die Unterlagen und Akten verstaute. „Die kann man schnell verladen“, erklärte er gestern in seinem Büro, für das er eines seiner Fünf-Zimmer geopfert hat. Der Chippendale steht immer noch im Wohnwagen, den Konni mittlerweile gekauft und auf einem Camping-Platz nahe der Autobahn abgestellt hat.

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